Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 729
DOI: 10.1055/s-0039-1694559
Kongresstag 3: 18.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ungedeckter medizinischer Bedarf in Deutschland

A Hollederer
1   Universität Kassel, Kassel
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. August 2019 (online)

 

Einleitung:

Das Recht auf allgemeine Gesundheitssicherung und einen gerechten Zugang in die Gesundheitsversorgung ist eine soziale Errungenschaft. Der ungedeckte medizinische Bedarf gilt als wichtiger Indikator für die Qualitätsbeurteilung eines Gesundheitssystems.

Methode:

Der EU-SILC-Survey wird seit 2005 jährlich erhoben. In 2014 wurde in Deutschland eine Stichprobe von 12.744 Haushalten mit 22.695 Personen ab 16 Jahren randomisiert gezogen und interviewt.

Ergebnisse:

Zwischen den EU-SILC-Survey-Wellen 2005 bis 2014 nahm der Bevölkerungsanteil in Deutschland, der auf notwendige medizinische oder zahnmedizinische Untersuchungen bzw. Behandlungen verzichtete, stark ab. Im EU SILC-Survey 2014 berichteten insgesamt 8,5% der Befragten (ab 16 Jahren) entweder einen ungedeckten medizinischen Versorgungsbedarf (6,4%) oder einen zahnmedizinischen Versorgungsbedarf (3,8%). Finanzielle Gründe sind eine Hauptursache dafür, dass notwendige zahnmedizinische Untersuchungen oder Behandlungen nicht in Anspruch genommen wurden. Beim ungedeckten medizinischen Bedarf dominieren verschiedene persönliche Gründe, die Bedeutung der Wartezeiten und Wegstrecken sank. Ein schlechter Gesundheitszustand hat in den logistischen Regressionsmodellen den größten Einfluss auf die Auftrittswahrscheinlichkeit eines ungedeckten medizinischen oder zahnmedizinischen Versorgungsbedarfs. Geringere (Netto-)Äquivalenzeinkommen und Bildungsabschlüsse sind mit höherer Wahrscheinlichkeit für eine Nichtinanspruchnahme assoziiert. Erwerbslosigkeit und Migration gehen mit einem erhöhten ungedeckten medizinischen oder zahnmedizinischen Versorgungsbedarf einher.

Diskussion:

Die Analysen weisen für Deutschland im Zeitverlauf auf erhebliche Verbesserungen beim ungedeckten medizinischen und zahnmedizinischen Versorgungsbedarf, aber auch auf große soziale Disparitäten hin. Zum Abbau sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheiten könnte nicht nur die Verbesserung von Finanzierungsregelungen, sondern auch die Förderung von Gesundheitskompetenzen beitragen.

Literatur:

Hollederer, A; Wildner, M (2019). Ungedeckter medizinischer Versorgungsbedarf in Deutschland: Ergebnisse im EU-SILC-Survey 2005 bis 2014. Dtsch med Wochenschr; 144(01):e1-e11.