Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 703
DOI: 10.1055/s-0039-1694478
Kongresstag 2: 17.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Genderspezifische Gesundheitskompetenz im Kontext von Migration: Ein Mixed-Methods-Ansatz

D Chakraverty
1   Uniklinik Köln, Medizinische Psychologie | Neuropsychologie und Gender Studies, Köln
,
A Baumeister
2   Forschungsstelle Ethik, Klinikum der Universität zu Köln/CERES, Universität zu Köln, Köln
,
A Aldin
3   Cochrane Haematological Malignancies, Klinik I für innere Medizin, Uniklinik Köln, Köln
,
N Skoetz
3   Cochrane Haematological Malignancies, Klinik I für innere Medizin, Uniklinik Köln, Köln
,
C Woopen
2   Forschungsstelle Ethik, Klinikum der Universität zu Köln/CERES, Universität zu Köln, Köln
,
E Kalbe
1   Uniklinik Köln, Medizinische Psychologie | Neuropsychologie und Gender Studies, Köln
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

In einer repräsentativen Bevölkerungsstudie in Deutschland gaben über 70% der befragten Menschen mit Migrationshintergrund eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz an; dies deckt sich mit internationalen Untersuchungen. Die Rolle des Geschlechts ist dabei noch unklar. Ziele des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts GLIM (Gender-spezifische Gesundheitskompetenz von Individuen mit Migrationshintergrund) sind ein systematischer Überblick über den internationalen Forschungsstand zu Geschlechteraspekten in der Gesundheitskompetenz von Menschen mit Migrationshintergrund und die Exploration der Behandler*innenperspektive auf die Interaktion mit der Zielgruppe in Deutschland.

Methoden:

Drei systematische Reviews untersuchen den internationalen Forschungsstand: Ein quantitatives Review mit metaanalytischer Auswertung der Geschlechterunterschiede in der Gesundheitskompetenz von Personen mit Migrationshintergrund, ein Cochrane-Review zur Effektivität von Interventionen zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Zielgruppe und ein qualitatives Cochrane-Review zu Evaluationen dieser Interventionen und ihren Geschlechteraspekten. Zur Exploration der Behandler*innen-Perspektive erfolgten fünf Fokusgruppendiskussionen mit Fachexpert*innen (n= 32); die Transkripte werden derzeit inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse:

In den systematischen Reviews untersuchten ca. 30% der bislang n= 291 eingeschlossenen Studien ausschließlich Frauen, keine jedoch ausschließlich Männer. Die Teilnehmer*innen der Fokusgruppendiskussionen beschrieben, dass sich bestimmte Herausforderungen wie systemisch bedingter Zeitmangel und manche Geschlechterspezifika (z.B. die männliche Ablehnungstendenz gegenüber Psychotherapie) bei Patient*innen mit Migrationshintergrund besonders stark auswirkten; spezielle Zugangshindernisse wurden sowohl für Patientinnen (Kontrollbedürfnis des Ehemanns, Scham beim Entkleiden) festgestellt als auch für Behandlerinnen (Nichtakzeptanz bei Männern mit Migrationshintergrund).

Diskussion:

Der derzeitige Auswertungsstand zeigt einen Mangel an internationalen Studien zur Gesundheitskompetenz von Männern mit Migrationshintergrund. Generelle Probleme des Gesundheitssystems wirken sich bei der Zielgruppe besonders deutlich aus; geschlechterspezifische Gesundheitskompetenz erweist sich zuvorderst beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen als wichtiger Faktor.