Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 703
DOI: 10.1055/s-0039-1694477
Kongresstag 2: 17.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wahrgenommene Diskriminierung, Belonging und Gesundheit von Migrant_innen in Deutschland

J Tuppat
1   Freie Universität Berlin, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Der Beitrag untersucht, ob und in welchem Ausmaß Diskriminierungserfahrungen auf die mentale und physische Gesundheit von Migrant_innen in Deutschland wirken. Es werden die Hypothesen getestet, dass (1) wahrgenommene Diskriminierung die mentale und körperliche Gesundheit negativ beeinflusst, sowie (2) dass der negative Effekt von wahrgenommener Diskriminierung auf die Gesundheit von der emotionalen Identifikation der Migrant_innen mit dem Ziel- und dem Heimatland moderiert wird (Belonging): Während eine hohe Identifikation mit dem Zielland Diskriminierungserfahrungen durch die Mehrheitsgesellschaft umso schwerwiegender machen sollte, könnte man annehmen, dass eine hohe Identifikation mit dem Heimatland einen Schutzfaktor darstellt.

Methode:

Die Fragestellung wird mit Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 2002 bis 2015 untersucht (N = 8.986). Das SOEP ist eine bundesweit repräsentative, jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland. Die Migrant_innen in dem Sample kommen aus verschiedenen Herkunftsgruppen (Türkei, andere Gastarbeiter_innen, Osteuropa, GUS). Es kommen gepoolte logistische Regressionsanalysen, sowie Hybridmodelle zum Einsatz.

Ergebnisse:

Wahrgenommene Diskriminierung beeinflusst die psychische und körperliche Gesundheit negativ, wobei die unterschiedlichen Migrant_innengruppen Diskriminierung in unterschiedlichem Ausmaß erfahren. Die emotionale Identifikation mit dem Zielland Deutschland moderiert die Effekte von Diskriminierungserfahrungen auf die Gesundheit: Je stärker sich Migrant_innen im Zielland zugehörig fühlen, desto stärker beeinträchtigt wahrgenommene Diskriminierung ihre Gesundheit. Gefühle von Belonging im Heimatland haben hingegen keinen Einfluss.

Diskussion:

Trotz der Antidiskriminierungsgesetze erfahren Migrant_innen in Deutschland Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft, was ihre Gesundheit negativ beeinflusst. Gefühle der Zugehörigkeit im Zielland stellen einen wichtigen Moderator dieses Effekts dar, da sie Erwartungen an Egalität implizieren und die Sensitivität für Ungleichbehandlungen erhöhen.