Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 682-683
DOI: 10.1055/s-0039-1694412
Kongresstag 2: 17.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychosoziale Risiken der Arbeit als Gegenstand betrieblichen Handelns: Stand der Forschung und Praxis

D Beck
1   Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
,
U Lenhardt
1   Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
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Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Der durch die Digitalisierung weiter vorangetriebene Wandel der Arbeit schlägt sich nicht zuletzt in einem Bedeutungszuwachs psychischer Belastungen und damit verbundener Gesundheitsrisiken nieder. Was in den Betrieben konkret getan wird, um psychosoziale Risiken aktiv und zielgerichtet zu minimieren, ist bislang allerdings nur wenig untersucht. Im Vortrag werden der Forschungsstand und zentrale offene Fragen herausgearbeitet.

Der Vortrag rekurriert auf quantitativ- und qualitativ-empirische Untersuchungen des betrieblichen Umgangs mit psychosozialen Risiken in Deutschland. Diese werden auf dem Hintergrund des Konzepts der „wicked problems“ (Rittel/Webber) interpretiert.

Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen werden nur in einer Minderheit der Betriebe durchgeführt. Qualitative Studien zeigen, dass die Berücksichtigung psychischer Belastung zum Teil grundlegende Veränderungen der Regeln und Ressourcen betrieblichen Arbeitsschutzhandelns voraussetzt.

Maßnahmen zur Reduzierung psychosozialer Risiken der Arbeit werden aber nicht nur im Kontext von Gefährdungsbeurteilungen realisiert, sondern auch jenseits davon, etwa als Aufgabe und Bestandteil fürsorglicher Mitarbeiterführung. Der Blick auf die Gefährdungsbeurteilung allein unterschätzt mithin Möglichkeiten und Ausmaß aktiver Gefährdungsvermeidung im Betrieb.

Psychosoziale Risiken zeigen insofern Eigenschaften von „wicked problems“, als bei ihnen weder die Problemdefinition noch die Möglichkeiten der Problemlösung eindeutig sind und sie im Betrieb von vielen verschiedenen Akteuren in unterschiedlichen Kontexten mit teils konfligierenden Zielen bewertet und bearbeitet werden.

Die Auseinandersetzung mit psychosozialen Risiken der Arbeit muss der Komplexität, Kontextualität und Veränderungsdynamik der Entstehungs- und Wirkungszusammenhänge sowie der Vielfalt an Interessen und Problemsichten der betrieblichen Stakeholder Rechnung tragen: (1) durch diskursiv-reflexive Prozesse der Problemanalyse und -gestaltung, (2) durch Partizipation aller betrieblichen Stakeholder, (3) durch Kontextualität und Kontinuität der Analyse und Gestaltung (statt „generalisierter“ und „ein-für-allemal“-Lösungen).