Gesundheitswesen 2019; 81(03): 278-279
DOI: 10.1055/s-0039-1679387
Poster
Fachausschuss Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes – Erste Erfahrungen mit der gesundheitlichen Beratung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern im Fachbereich Gesundheit und Verbraucherschutz des Kreises Groß-Gerau

S Brandenburg
1   Kreis Groß-Gerau, Fachbereich Gesundheit und Verbraucherschutz, Groß-Gerau
,
AK Helbig
2   Kreis Groß-Gerau, Gesundheitsberichterstattung, Groß-Gerau
,
A Carstens
3   Kreis Groß-Gerau, Fachbereichsleitung Gesundheit und Verbraucherschutz, Groß-Gerau
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
05 April 2019 (online)

 

Hintergrund:

Mit der Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes wurde für Sexarbeitende eine Anmeldung bei den Kommunen, in denen sie überwiegend tätig sind, sowie eine gesundheitliche Beratung im Vorfeld der Anmeldung Pflicht. Als untere Gesundheitsbehörde bietet der Fachbereich Gesundheit und Verbraucherschutz des Kreises Groß-Gerau diese Beratung seit dem 01.07.2017 an. Die Etablierung der Gesundheitsberatung stellte das Team des Amtsärztlichen Dienstes vor neue Herausforderungen, beispielsweise fehlten Informationen über Zahl und Herkunft der Sexarbeitenden im Kreis.

Zielsetzung und Methodik:

Es erfolgte eine systematische Analyse und Bewertung der Daten, die im Rahmen der Gesundheitsberatungen vom 01.07.2017 bis zum 31.08.2018 erhoben wurden. Das Ziel ist es, einen Überblick über die Gruppe der Sexarbeitenden zu erhalten und Hinweise zu erlangen, wie das Konzept und die Durchführung der Beratung optimiert werden können.

Ergebnisse:

Im betrachteten Zeitraum nahmen 80 Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter die gesundheitliche Beratung in Anspruch. Der deutlich überwiegende Teil war weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 34,6 Jahren. Es zeigte sich auch, dass sexuelle Dienstleistungen von Personen unter 21 Jahren und auch über 60 Jahren erbracht werden. Die Beratenen kamen aus 13 verschiedenen Ländern, wobei die meisten aus Spanien, Rumänien oder Deutschland stammten. Oft reichten die Deutschkenntnisse der Sexarbeitenden nicht aus, so dass über die Hälfte der Beratungen nur mithilfe eines Übersetzers durchgeführt werden konnten. Eine Not- oder Zwangslage wurde von niemandem offenbart, jedoch gaben 26 der 80 Teilnehmenden an, nicht krankenversichert zu sein. Bei 22 Personen war der Versicherungsstatus unbekannt.

Fazit und Ausblick:

Insgesamt wurden nur wenige Gesundheitsberatungen im Zeitraum von 14 Monaten durchgeführt. Gründe dafür könnten sein, dass es nur wenige Sexarbeitende im Kreis Groß-Gerau gibt, die Prostituierten sich in anderen Landkreisen beraten lassen oder ein Teil der Personen sich nicht beraten lässt und somit nicht anmelden kann. Die Gruppe der Sexarbeitenden ist sehr heterogen. Da einige Personen jünger als 21 Jahre alt sind, werden im Fachbereich auch halbjährlich durchzuführende Gesundheitsberatungen für diese Personengruppe anfallen. Auffällig ist der hohe Anteil an Sexarbeitenden ohne Krankenversicherung. Hier erscheint es sinnvoll, das Beratungskonzept anzupassen und die Prostituierten für die Versicherungspflicht für jede Person mit Wohnsitz in Deutschland zu sensibilisieren. Gleichzeitig ist es wünschenswert, die Barrieren zum Erlangen eines Versicherungsschutzes für diese vulnerable Personengruppe abzubauen, damit ihnen ein kurzfristiger Beitritt zur Krankenkasse ermöglicht wird. Die Einrichtung einer Beratungsstelle zur anonymen Beratung bei fehlendem Versicherungsschutz nach dem Vorbild der humanitären Sprechstunde des Frankfurter Gesundheitsamtes wäre eine weitere Option zur Unterstützung, die es zu prüfen gilt.