Gesundheitswesen 2019; 81(03): 276
DOI: 10.1055/s-0039-1679378
Poster
Fachausschuss Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schamlos – STI-Beratung und Diagnostik im Gesundheitsamt Köln

K Baumhauer
1   Gesundheitsamt Köln, Fachdienst STI und sexuelle Gesundheit, Köln, Germany
,
C Grüner
1   Gesundheitsamt Köln, Fachdienst STI und sexuelle Gesundheit, Köln, Germany
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Publication Date:
05 April 2019 (online)

 

Einleitung:

Der Fachdienst STI und sexuelle Gesundheit des Gesundheitsamtes Köln bietet arbeitstäglich niedrigschwellig, anonym und kostenlos eine HIV/STI-Sprechstunde an. Diese wird von unterschiedlichen Personen genutzt. Indikationsbezogen erfolgt eine umfangreiche Beratung zu allen Themen der sexuellen Gesundheit sowie entsprechende Diagnostik durch eine Fachärztin für Gynäkologie oder Urologie. Therapien werden entweder sofort zur Verfügung gestellt oder privat rezeptiert. Bei Bedarf kann der Kontakt zu einer psychosozialen Beratung hergestellt werden.

Methoden/Ergebnisse:

Ein multiprofessionelles Team aus MFAs, Sexualpädagogen, Sozialpädagogen, Sozialarbeitern und Ärztinnen bildet den Fachdienst STI und sexuelle Gesundheit. Alle MitarbeiterInnen sind speziell für den Bereich STI und sexuelle Gesundheit geschult. Seit über 10 Jahren werden Routinedaten zu Alter, Versicherungsstatus, Herkunftsland, sexueller Orientierung und Kontakt zu Sexarbeit anonymisiert erhoben. Die Daten wurden mittels EpiInfo und Access ausgewertet. Vorgestellt werden die aktuellen Daten im Jahresvergleich. Im Jahr 2016 suchten 4153 Menschen (1975 Frauen und 2168 Männer) mit insgesamt 8913 Kontakten den Fachdienst auf. Hiervon fanden 4780 Kontakte primär in der Beratung und 1769 Kontakte primär in der medizinischen Sprechstunde statt. Die Fluktuation war hoch: 73% der Gesamtklientel wurden im jeweiligen Berichtsjahr erstmalig gesehen. 38% hatten einen Migrationshintergrund, davon 48% aus Zentraleuropa. 19% der Männer gaben gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte (MSM) an, 34% sahen sich als heterosexuell. In der medizinischen Sprechstunde hatten 80% keine in Deutschland gültige Krankenversicherung und weit über die Hälfte waren je in der Sexarbeit tätig.

Schlussfolgerung:

Das niedrigschwellige Angebot des Fachdienstes STI und sexuelle Gesundheit des Gesundheitsamtes Köln ermöglicht den Zugang zu einer sehr heterogenen Gruppe von Menschen mit teilweise hochriskantem Sexualverhalten. Die enge Verzahnung zwischen Medizin und psychosozialer Betreuung ist elementar in der ganzheitlichen Betreuung im Themenfeld sexuelle Gesundheit. Fehlende Krankenversicherung und sprachliche Barrieren erschweren den Zugang zur Regelversorgung. Gefragt sind hohe Vielfalt und Flexibilität im Hinblick auf diagnostische Algorithmen und psychosoziale Betreuung. Insbesondere an den ÖGD werden hohe Anforderungen gestellt im Hinblick auf Anamnese-Erhebung, Patientenführung, Finanzierung von Diagnostik und Realisierung der Therapie. Der niedergelassenen Ärzteschaft stehen mangelnde Vergütung von STI-Beratung und -Diagnostik im Rahmen der GOÄ und, damit verbunden, Probleme der Integration der Patienten in den Praxisalltag gegenüber. Die Kooperation verschiedener Einrichtungen und fachärztliches Fallmanagement (im öffentlichen Gesundheitsdienst) ist in vielen Fällen nötig, um dennoch eine suffiziente Therapie zu ermöglichen.