Gesundheitswesen 2019; 81(03): 274
DOI: 10.1055/s-0039-1679373
Poster
Fachausschuss Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Scharlachmeldungen aus Gemeinschaftseinrichtungen: Hohe Fallzahlen implizieren Handlungsbedarf

L Eichner
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
J Fritz
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
M Hofer
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
P Rück
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
M Eichner
2   Universität Tübingen, Institut für klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie, Tübingen, Germany
,
S Brockmann
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
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Publication History

Publication Date:
05 April 2019 (online)

 

Hintergrund:

Scharlach ist eine ist eine akute, durch Streptokokken verursachte Infektionskrankheit, die zu Komplikationen und post-Streptokokken-Erkrankungen wie z.B. rheumatischem Fieber oder akuter Glomerulonephritis führen kann. Scharlach ist antibiotisch gut behandelbar. Scharlachinfektionen sind laut IfSG von Gemeinschaftseinrichtungen (GEs) an das Gesundheitsamt zu melden und es besteht ein Betretungsverbot von Erkrankten für GEs während der ansteckenden Phase. In einigen Bundesländern ist Scharlach auch für Ärzte meldepflichtig (TH, S, SA). Ziel der Studie war es die Epidemiologie der Scharlachinfektionen näher zu beschreiben um ein besseres Bild der Bedeutung der Erkrankung und zum Meldeaufkommen zu bekommen.

Material und Methoden:

Im Landkreis Reutlingen wurden alle Scharlachfälle der Kindertagesbetreuung und Schulen von 2010 – 16 systematisch erfasst. Daten des Jugend- und Schulamts lieferten die Anzahl der Einrichtungen und Kinder pro Einrichtung und das Statistischen Landesamtes die Anzahl der Kinder im Landkreis nach Alter. Die Meldedaten wurden im Bezug auf Alter, Saisonalität und Meldeverhalten der einzelnen Einrichtungen untersucht. Mithilfe der Daten des Statistischen Landesamtes wurde die Inzidenz für unterschiedliche Altersgruppen berechnet. Die Ergebnisse verglichen wir mit den Daten der länderspezifischen Meldeverordnungen für Scharlach und international publizierten Daten (England und Hongkong).

Ergebnisse:

Im Untersuchungszeitraum wurden 1.255 Scharlachfälle bei Kindern (Alter 1 – 15 Jahre) gemeldet. Im Mittel wurden 215 Fälle/Jahr gemeldet (133 – 465). Es konnte keine ausgeprägte Saisonalität festgestellt werden. Die Meldungen blieben über das Jahr relativ konstant, mit Ausnahme der Sommerferienzeit. Insgesamt haben nur 148 von 408 Einrichtungen jemals einen Scharlachfall im Untersuchungszeitraum gemeldet; davon waren 100 Kindergärten und 48 Schulen. 708 (56%) der Fälle wurden von Kindertagesstätten und 547 (44%) von Schulen gemeldet. Der Altersgipfel befindet sich im späten Vorschulalter zwischen 4 und 6 Jahren (45,6% aller Fälle). Im Untersuchungszeitraum wurden 133 Häufungen gemeldet mit jeweils 2 – 14 Meldungen (21% der Meldungen). Im Ausland wurde kürzlich über hohe Scharlach-Inzidenzen und deren Public Health Bedeutung berichtet (Hongkong: 23 – 260; England: 36 – 226). Die jährliche Scharlachinzidenz in den ostdeutschen Bundesländern ist wesentlich höher (287 – 536/100.000) und die Benachrichtigungen aus GEs in unserer Untersuchung übersteigen auch diese Inzidenzen deutlich.

Diskussion und Schlussfolgerung:

Scharlach-Benachrichtigungen aus GEs sind häufig. Ihr Übertragungspotenzial lässt die Benachrichtigungspflicht für GEs und die Voraussetzungen für eine Wiederzulassung sinnvoll erscheinen. Die hohen Fallzahlen und das epidemische Potenzial mit stark erhöhten Fallzahlen in einzelnen Jahren deuten an, dass die Entwicklung von Public Health Guidelines (Maßnahmepläne) zum Umgang mit Häufungen in GEs sinnvoll sein könnte.

Literaturhinweis:

[1] Brockmann SO, Eichner L, Eichner M. Constantly high incidence of scarlet fever in Germany. Lancet Infect Dis. 2018 May; 18 (5): 499 – 500. doi: 10.1016/S1473 – 3099(18)30210-X.

[2] Resurgence of scarlet fever in England, 2014 – 16: a population-based surveillance study.

[3] Lamagni T, Guy R, Chand M, Henderson KL, Chalker V, Lewis J, Saliba V, Elliot AJ, Smith GE, Rushton S, Sheridan EA, Ramsay M, Johnson AP. Lancet Infect Dis. 2018 Feb; 18 (2): 180 – 187. doi: 10.1016/S1473 – 3099(17)30693-X.

[4] Walker MJ, Brouwer S. Scarlet fever makes a comeback. Lancet Infect Dis. 2018 Feb;18 (2): 128 – 129. doi: 10.1016/S1473 – 3099(17)30694 – 1. Epub 2017 Nov 27.