Gesundheitswesen 2019; 81(03): 273
DOI: 10.1055/s-0039-1679371
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Fachausschuss Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Direkte und indirekte Effekte der Rotavirus-Impfung von Säuglingen fünf Jahre nach der STIKO-Empfehlung

A Marquis
1   Robert Koch-Institut, Postgraduierten Ausbildung für Angewandte Epidemiologie; European Programme for Intervention Epidemiology Training (EPIET), European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), Stockholm, Sweden/Berlin, Germany
,
J Koch
2   Robert Koch-Institut, Fachgebiet Impfprävention, Berlin, Germany
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Publication Date:
05 April 2019 (online)

 

Seit 2013 empfiehlt die Ständigen Impfkommission (STIKO) die Rotavirus (RV)-Impfung von Säuglingen, um bei < 5Jährigen nosokomiale und schwere zur Krankenhausaufnahme führende RV-Gastroenteritiden (RVGE) zu verhindern und Herdeneffekte bei Ungeimpften zu erzielen.

Um zu prüfen, ob die Ziele der Impfempfehlung erreicht wurden und etwaige Risiken bestehen, analysierten wir deren Umsetzung, sowie direkte und indirekte Effekte und das Auftreten von Invaginationen als mögliche schwere Nebenwirkung.

Mittels Impfstoff-Verschreibungsdaten schätzten wir jährliche RV-Impfquoten.

Zur Prüfung der Effekte auf die RV-Epidemiologie analysierten wir die nach Infektionsschutzgesetz erhobenen RV-Meldedaten, die die Referenzdefinition erfüllen. Wir berechneten altersgruppenspezifische Inzidenzraten (IR) für ambulante, hospitalisierte und nosokomiale RVGE für epidemiologische RV-Jahre (Beginn 40. Kalenderwoche (KW)-39. KW des Folgejahres). Als nosokomial definierten wir RVGE mit Symptombeginn von >/= 2 Tagen nach Hospitalisation. Mittels Poisson-Regressionsanalysen berechneten wir Inzidenz Rate Ratios (IRR) und verglichen die Zeit vor Verfügbarkeit und Gebrauch der Impfstoffe in Deutschland (Vorimpf-Zeitraum: 2005/06 – 2007/08) mit der Zeit seit Impfempfehlung (Impf-Zeitraum: 2013/14 – 2016/17).

Für die Sicherheitsanalyse werteten wir Daten zu Invaginationen im 1. Lebensjahr (ICD 10-kodierte Diagnosen) der Krankenhausentlassungsstatistik aus und prüften die Veränderung zwischen den Zeiträumen mittels Wilcoxon Rangsummen-Test.

Die RV-Impfquote ist kontinuierlich von 59% 2014 auf 81% 2017 gestiegen.

Bei < 5-Jährigen sanken die IRs ambulanter RVGE um 71% (IRR 0,29; 95%CI 0,28 – 0,29), RVGE-bedingter Hospitalisationen um 66% (IRR 0,34; 95%CI 0,33 – 0,34) und nosokomialer RVGE um 66% (IRR 0,34; 95%CI 0,33 – 0,34). In den ungeimpften Altersgruppen reduzierten sich die IRs ambulanter RVGE um 36% (IRR 0,64 95%CI 0,63 – 0,65).

Die Zahl der Invaginationen im 1. Lebensjahr (LJ) ging von im Mittel 443 Invaginationen/1.LJ (Spanne: 434 – 456) im Vorimpf-Zeitraum auf 377 Invaginationen/1.LJ (Spanne: 369 – 384) im Impf-Zeitraum zurück (p = 0,03). Die mittlere Zahl der Invaginationen in der 7.-12. Lebenswoche, dem empfohlenen Alter der 1. Impfung, ist von 18 (Spanne: 14 – 21) auf 27 (Spanne: 16 – 30) gestiegen (p = 0,16).

Die erzielten Impfquoten und der steigende Trend verdeutlichen die zunehmende Akzeptanz der Impfung in Deutschland.

Der Rückgang von RVGE im ambulanten und stationären Bereich bei < 5-Jährigen sowie von ambulanter RVGE bei Ungeimpften, als Indiz für Herdenschutz, zeigt, dass die Ziele der Impfempfehlung erreicht wurden. Seit Impfempfehlung ist insgesamt das Auftreten von Invaginationen im 1. LJ signifikant gesunken trotz des bekannten leicht erhöhten Invaginationsrisikos nach Gabe der 1. Impfstoffdosis.

Zur Steigerung der positiven Effekte sind neben der Fortsetzung des RV-Impfprogrammes weitere Bemühungen nötig, um die Impfquote zu erhöhen.