Zusammenfassung
Neben der Katecholamin-Mangel-Hypothese der Depression hat in den letzten Jahren vermehrt
die Veränderung der Stressachse (auch HPA-Achse genannt) Beachtung gefunden, zumal
es eine Reihe von Beobachtungen gibt, die zeigen, dass zum einen Glukokortikoide direkt
neurotoxisch, v.a. am Hippocampus, wirken können und zum anderen, dass eine erhöhte
glutamaterge Transmission ebenfalls in dieselbe Richtung wirken könnte. In diese Regelmechanismen
scheint auch Tianeptin, eine lange in einer Reihe von europäischen Ländern eingesetzte
Substanz, die nun auch seit drei Jahren in Deutschland zur Verfügung steht, einzugreifen.
Neben dem wahrscheinlichen pharmakodynamischen Wirkmechanismus der Substanz werden
in der vorliegenden Übersicht die aktuelle Studienlage zur Wirksamkeit und Verträglichkeit
zusammengefasst, aber auch Studien im Bereich kognitiver Störungen dargestellt. In
einer Reihe von klinischen Studien konnte die Placebo überlegene und die zu mindestens
ebenso gute antidepressive Effektivität von Tianeptin im Vergleich zu Standardantidepressiva
(v.a. SSRIs und Trizyklika) gezeigt werden. Auch positive Langzeituntersuchungen liegen
vor. Das Nebenwirkungsprofil ähnelt dem der SSRIs, allerdings gibt es Hinweise, dass
gastrointestinale Nebenwirkungen, Tremor und Palpitationen vergleichsweise seltener
auftreten, trockener Mund häufiger. Sexuelle Dysfunktionen sind selten. Erste Studien
zeigen einen positiven Effekt auf die häufig bei Depressionen verschlechterten kognitiven
Störungen. Das Interaktionsverhalten der Substanz ist sehr günstig. Somit steht eine
interessante neue Möglichkeit der pharmakologischen Depressionstherapie zur Verfügung.
Summary
Besides catecholamine deficiency hypothesis of depression in recent years the variation
of the stress axis (also called the HPA axis) attracted attention, especially since
there are a number of observations which show that on the one hand glucocorticoids
operate directly neurotoxic, particularly on the hippocampus, and, secondly, that
an increased glutamatergic transmission may also act in the same direction. In these
control mechanisms also tianeptine seems to intervene, a since a long time in a number
of European countries used substance which is also available in Germany since three
years. In addition to the probable pharmacodynamic mechanism of action of the substance,
the recent studies on the effectiveness and tolerability are summarized in this overview,
but also studies in the field of cognitive disorders are presented. In a series of
clinical trials, the superior to placebo and at least as good antidepressant efficacy
of tianeptine compared to standard antidepressants (tricyclics and SSRIs) was demonstrated.
Also positive long-term studies are available. The adverse event profile is similar
to that of the SSRIs, however, there is evidence that gastrointestinal side effects,
tremors and palpitations occur relatively rarely, dry mouth more frequently. Sexual
dysfunctions are rare. Initial studies show a positive effect on cognitive impairment
frequently worsened during depression. The interaction behaviour of the compound is
very low. Thus is an interesting new option of pharmacological depression therapy.
Schlüsselwörter
Stress-Achse - Glutamat - Tianeptin - Wirksamkeit - Verträglichkeit - Interaktionen
Keywords
Stress axis - glutamate - tianeptine - efficacy - tolerability - interactions