Psychother Psychosom Med Psychol 2018; 68(08): e35-e36
DOI: 10.1055/s-0038-1667966
SYMPOSIEN
Sozialpsychologische Perspektiven auf gegenwärtige Formen von Körpern & ihrer Modifikation
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wirkung sozialer Einflüsse auf die Entscheidung von Eltern ihren Kindern leistungssteigernde Medikamente im Kontext der Schule zu verabreichen

S Sattler
1   Universität zu Köln, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Institut für Soziologie und Sozialpsychologie, Köln, Deutschland/Institut de Recherches Cliniques de Montreal, Kanada
,
G Mehlkop
2   Erfurt, Deutschland
,
V Bahr
2   Erfurt, Deutschland
,
J Wörn
3   Köln, Deutschland
,
C Betsch
2   Erfurt, Deutschland
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
06 August 2018 (online)

 

Einleitung:

Ein Drittel der Befragten gaben bei einer Umfrage unter den LeserInnen des Magazins Nature an, dass sie sich durch die Verbreitung verschreibungspflichtige Medikamente (wie Methylphenidat) unter Mitschülerinnen und Mitschülern ihrer Kinder unter Druck gesetzt fühlten, ihren gesunden Kindern ebenfalls solche Substanzen zu verabreichen [1]. In der ethischen Debatte wird dieses sogenannte „Cognitive Enhancement“ kritisch diskutiert. Einerseits wird diesen Medikamenten die Fähigkeit zugeschrieben, die Auswirkungen schlechter schulischer Bedingungen, auszugleichen. Mithilfe von Medikamenten könnten gesunde Kinder besser ihr intellektuelles Potenzial entfalten. Gegenargumente thematisieren unter anderem die Gefahren (z.B. Nebenwirkungen wie Sucht oder Depression) einer solchen medikamentösen „Lösung“ von sozialen Problemen.

Wie Eltern ihre Entscheidungen für oder gegen eine Medikation treffen und welchen Einfluss das nahe und erweiterte soziale Umfeld spielt, wurde bislang jedoch kaum untersucht [2]. Basierend auf verschiedenen theoretischen Annahmen (Theorie differentieller Assoziation, Rational-Choice Theorie, Wirkung deskriptiver/injunktiver Normen, etc.) untersuchen wir mögliche soziale Lernprozesse.

Material & Methoden:

In vier experimentellen Studien (N 1 – 4 > 300) mit Vignetten untersuchen wir bei US-amerikanischen Eltern mit Kindern im schulpflichtigem Alter unter anderem den Einfluss sozialer Kontrolle und von Imitationsprozessen. Dabei testen wir die moderierende Rolle der Nähe bzw. Distanz zur Referenzgruppe.

Ergebnisse:

Die Experimente zeigen, dass Eltern unter anderem vom Verhalten und von den Erfahrungen anderer Eltern beeinflusst werden, nicht jedoch von deren moralischen Einstellungen. Die Effekte variieren in Abhängigkeit davon, ob enge Freunde oder Kommunikation in sozialen Medien die Quelle der Informationen zum Medikamentenkonsum darstellen. Außerdem zeigt sich, dass Eltern eher bereit sind ihren Kindern solche Mittel zu verabreichen, wenn sie es in der Vergangenheit bereits getan haben.

Diskussion:

Die Studie zeigt, dass soziale Einflussprozesse die Bereitschaft von Eltern partiell darin beeinflussen ihren gesunden Kindern Medikamente zur Steigerung der schulischen Leistung zu geben.

Schlussfolgerung:

Mithilfe der Ergebnisse lassen sich Implikationen für Präventions- und Interventionsmaßnahmen ableiten, wie eine Aufklärung zu den Risiken der Medikamenteneinnahme.

Literatur:

[1] Maher, B. 2008. Poll results: look who's doping. Nature 452: 674 – 75.

[2] Sattler, S., Wörn, J. (in press). Public Perceptions of Prescription Drug Use for Cognitive Enhancement Drug Use in Healthy Children and Adolescents. in: Saskia Nagel (ed.), Enhancing Children.