Hamostaseologie 2018; 38(03): 177-179
DOI: 10.1055/s-0038-1667016
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Publication Date:
27 September 2018 (online)

Berufspolitische Mitteilungen 07/2018

Die Rahmenbedingungen für Laboruntersuchungen haben sich im Zuge der Laborreform zum 01. April 2018 geändert, was auch die Veranlassung und Abrechnung hämostaseologischer Untersuchungen nachhaltig beeinflusst.

Für Ärzte, die Laborleistungen erbringen, wird in der 1. Stufe der Laborreform bei der Abrechnung von Laborleistungen die bisherige Mindestquote von 91.58% auf 89% abgesenkt. Werden also Laborleistungen bei kassenärztlich Versicherten veranlasst, werden die im EBM ausgewiesenen Beträge für die jeweiligen Untersuchungen nur noch zu 89% erstattet. Dies entspricht aktuell einer weiteren Reduktion des Erlöses für diese Untersuchungen um ca. 2.8%. Die Regelung betrifft alle Ärzte, die Laborleistungen erbringen, also nicht nur Labormediziner, sondern auch Hämostaseologen, welche ein eigenes Gerinnungslabor für ihre Patienten unterhalten. Ansonsten wird die Labordiagnostik von Ärzten, die im Rahmen ihrer hämostaseologischen Tätigkeit Laboruntersuchungen durchführen und abrechnen, durch die aktuellen Regelungen nicht relevant eingeschränkt. Abzuwarten bleibt allerdings diesbezüglich das Inkrafttreten des neuen einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) und die hierdurch gegebene Neufestsetzung der Abrechnung der Laborleistungen auf dem Gebiet der Hämostaseologie.

Die zweite aktuelle Änderung betrifft die Erstattung des sogenannten Wirtschaftlichkeitsbonus. Hierbei werden Ärzte unter anderem dafür finanziell entschädigt, wenn sie weniger Laboruntersuchungen bei ihren Patienten veranlassen. Hierfür werden die durchschnittlichen Laborkosten eines Arztes je Behandlungsfall und Quartal ermittelt und mit dem Durchschnitt der jeweiligen Arztgruppe verglichen. Liegt der Betrag unterhalb des für die jeweilige Arztgruppe ermittelten unteren Fallwertes, so wird der Wirtschaftlichkeitsbonus in voller Höhe erstattet, liegt er oberhalb des oberen Fallwertes wird kein Wirtschaftlichkeitsbonus gezahlt; liegt der Betrag zwischen dem unteren und oberen Fallwert, so erfolgt eine partielle Erstattung des Wirtschaftlichkeitsbonus ([Abb. 1]). Sehr ernüchternd sieht dies aus, wenn man sich die exakten Zahlen vergegenwärtigt: Für Hausärzte liegt der arztgruppenspezifische untere begrenzende Fallwert bei etwa 1.60 Euro, der obere begrenzende Fallwert bei etwa 3.80 Euro. Den Wirtschaftlichkeitsbonus in voller Höhe erhält also nur der Hausarzt, der für Laborleistungen je Quartal und Patientenfall weniger als 1.60 Euro aufwendet. Eine Hausarztpraxis mit 1.000 Fällen darf dann für das betreffende Quartal mit einem Wirtschaftlichkeitsbonus von ca. 2.000 Euro rechnen, entsprechend ca. 670 Euro pro Monat oder netto ca. 300-400 Euro.

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Abbildung 1 Liegt die durchschnittlich angeforderte Laborleistung pro Fall unterhalb der unteren Grenze erhält der Arzt den vollen Wirtschaftlichkeitsbonus, liegt er oberhalb der oberen Grenze, erlangt er diesen nicht. Zwischen den Grenzen wird nur ein Teil des Bonus ausgezahlt.

Ziel dieser Maßnahme ist es, Ärzte zu einer wirtschaftlicheren Veranlassung von Laborleistungen zu motivieren. Gesundheitsgefährend für Patienten wird dieser Ansatz, wenn durch die neue Regelung notwendige Laboruntersuchungen bei den Patienten unterbleiben. Verschärft wird dieser Aspekt durch eine Revision der Ausnahmebudgetziffern; bisher belasteten zahlreiche Laborleistungen, unter anderem die meisten der kostenintensiven hämostaseologischen Untersuchungen, nicht das Budget des veranlassenden Arztes. Von besonderem Interesse ist dabei für den Arzt, der Gerinnungsdiagnostik anfordert, die Ausnahme Kennziffer 32011. Die aktuelle Revision führt jedoch dazu, dass bei dieser Ziffer der Aspekt der Diagnostik für die Budgetbefreiung gestrichen wurde, und sich die Befreiung nur noch auf die Therapie von Erkrankungen bezieht, nicht mehr auf die Initialdiagnostik; wo hier die exakte Grenze zu ziehen ist, ist unklar, da Diagnostik und Therapie in der Regel Hand in Hand gehen und eine Therapie ohne Diagnostik kaum möglich ist. Laut Auskunft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sollte die Streichung des Wortes „Diagnose“ so interpretiert werden, als dass die Erstdiagnostik budgetpflichtig ist und für dann folgende Untersuchungen (z. B. Kontrolle einer bekannten Hämophilie, Überwachung einer Schwangeren mit Thromboseneigung) diese Ziffer 32011 gezogen werden darf.

Selbst wenn bei Anwendung einer Ausnahmebudgetziffer der Aspekt der Therapie einer Störung gegeben ist, bedeutet dies noch lange nicht, dass alle veranlassten Laborleistungen budgetfrei werden; je nach Ausnahmebudgetziffer werden dann nämlich nur einzelne Leistungen aus dem veranlassten Untersuchungsspektrum budgetfrei und werden aus den Laborkosten der jeweiligen Praxis herausgenommen, während andere Leistungen weiter das Budget belasten ([Tab. 1]). Da je nach Behandlungsumfang mehrere Ausnahmebudgetziffern vorliegen können, bei denen jeweils unterschiedliche Laborleistungen budgetfrei gestellt werden, ist die Auswertung und damit verbundene Zahlung des Wirtschaftlichkeitsbonus äußerst komplex und wird wohl wenig transparent und kaum nachvollziehbar sein. Die Reform der Ausnahmebudgetziffern beinhaltet auch die Streichung einzelner Ausnahmeziffern, etwa für die präoperative Diagnostik bei ambulanten operativen Eingriffen.

Tabelle 1

Wichtige Ausnahmekennziffern für die Untersuchung von Gerinnungsstörungen mit Indikation und Analysen, die dadurch nicht vom Budget erfasst werden

Kennziffer

Indikation

GOP

Analysen

32011

Therapie der hereditären Thrombophilie, des Antiphospholipidsyndroms oder der Hämophilie

32112

32113

32115

32120

32203

32208

32212

32213

32214

32215

32216

32217

32218

32219

32220

32221

32222

32228

aPTT

Quick-Wert, Plasma

Thrombinzeit

mechanisiertes Blutbild, Reti-Zählung

Thrombelastogramm

ähnliche Untersuchungen

Fibrinmonomere, Spaltprodukte

Faktor II

Faktor V

Faktor VII

Faktor VIII

Faktor VIII assoziertes Protein

Faktor IX

Faktor X

Faktor XI

Faktor XII

Faktor XIII

Unters. Thrombozytenfunktion

32015

orale

Antikoagulanzientherapie

32026

32113

32114

32120

TPZ (Thromboplastinzeit als POCT)

Quick-Wert, Plasma

Quick-Wert, Kapillarblut

mechanisiertes Blutbild, Reti-Zählung

Insgesamt dürfte die Laborreform nicht zu dem beabsichtigten Rückgang der durchgeführten Laboruntersuchungen führen, viel mehr zu einer Verlagerung von der bisher geübten vernünftigen Versendung von Laboruntersuchungen bei Patienten, die keinen zwingenden persönlichen Facharztkontakt benötigten, zu einer ärztlichen Konsultation dieser Patienten in einer Gerinnungssprechstunde. Dies wird möglicherweise zu einem erhöhten Aufwand in den Gerinnungsambulanzen führen und die verfügbaren personellen, räumlichen und apparativen Ressourcen weiter einschränken. Dem Patienten, der ohnehin bereits jetzt schon lange auf Vorstellungstermine in einer Spezialambulanz warten muss, ist hiermit sicherlich nicht gedient.

Die Sinnhaftigkeit der Laborreform und deren Wirksamkeit zur Reduktion der Kosten der Laboranalytik ist ohnehin aus verschiedenen Gründen stark anzuzweifeln. Nach Einschätzung anderer Berufsverbände läuft diese Reform „am Kern der Sache vorbei“, wie beispielsweise der Berufsverband der Internisten (BDI) mitteilte. Schon der Umstand, dass Ärzte dafür belohnt werden, dass sie sinnvolle Laboruntersuchungen unterlassen, und andere dafür zu bestrafen, dass sie gewissenhaft zum Wohle des Patienten sinnvolle Laboruntersuchungen veranlassen, ist nicht nachzuvollziehen und geht letztendlich – wie so oft – zu Lasten des Patienten. Es steht zu befürchten, dass indizierte Laboruntersuchungen aufgrund ökonomischer Ängste des veranlassenden Arztes bei Patienten unterbleiben, was dann zu gesundheitlichen Konsequenzen für die betroffenen Patienten führen kann. Somit wird durch die Reform eine mögliche Verschlechterung der Versorgungsqualität bis hin zur gesundheitlichen Gefährdung von Patienten billigend in Kauf benommen. Die juristischen Folgen im Falle einer Schädigung von Patienten durch Unterlassung indizierter Laboruntersuchungen sind derzeit kaum absehbar. Auch die Arzt-Patienten-Beziehung könnte massiv gestört werden, wenn vom Patienten zurecht geforderte und bislang auch anstandslos durchgeführte Laboruntersuchungen nun unter Hinweis auf die Laborreform durch den Arzt nicht mehr veranlasst werden.

Möglicherweise wird die hämostaseologische Diagnostik durch Probeneinsendung wegen dieser Reform zurückgehen, Patienten aber stattdessen in eine Gerinnungssprechstunde mittels Überweisung an einen Facharzt (Überweisungsschein Muster 6) überwiesen; es ist dann damit zu rechnen, dass sich mehr Patienten in Gerinnungsambulanzen vorstellen werden, da hierdurch das Budget des Veranlassers nicht belastet wird und die Eigenerbringung von Laborleistungen (noch) nicht eingeschränkt ist. Dies ist eine nicht zielführende Entwicklung, da sich nun Spezialambulanzen mit Diagnostik und Beratung von Patienten vermehrt befassen müssen, bei denen die Diagnostik bisher durch Probeneinsendung mit deutlich weniger Aufwand zu erbringen war. Es steht zu befürchten, dass daher das Zeitkontigent, was bisher für schwerkranke therapiebedürftige Patienten in den Gerinnungsambulanzen zur Verfügung stand, durch Routineaufgaben stark eingeschränkt wird, was letztendlich die Patientenversorgung verschlechtern wird.

Diese Maßnahmen sind lt. Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) nur ein erster Schritt einer ausgiebigen Laborreform. Weitere Änderungen sind zu erwarten, insbesondere stehen auch die EBM- und GOÄ-Reform an. Der Vorstand des Berufsverbandes der Deutschen Hämostaseologen (BDDH) wird sich im Sinne der Mitglieder weiterhin darum bemühen, einer Einschränkung der hämostaseologischen Diagnostik entgegen zu wirken, um eine Verschlechterung der Versorgungsqualität auf dem Gebiet der Hämostaseologie zu verhindern und auch künftig eine adäquate hämostaseologische Patientenversorgung aufrecht erhalten zu können.

Priv.-Doz. Dr. med. habil. Christoph Sucker, 2. Beisitzer des Vorstands

Dr. med. Günther Kappert, 1. Beisitzer des Vorstands für den Vorstand des Berufsverbandes der Deutschen Hämostaseologen e.V. (BDDH)