Pneumologie 2018; 72(07): 534
DOI: 10.1055/s-0038-1660912
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Lunge: Teil eines „Common Mucosal Immune Systems“?

EM Liebler-Tenorio
1   Institut für molekulare Pathogenese, Friedrich-Loeffler-Institut, Jena
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Publication History

Publication Date:
10 July 2018 (online)

 

Common Mucosal Immune System

Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts kam Besredka (1919) zur Einschätzung, dass es einen lokalen Schutz der Schleimhäute gibt, da die orale Impfung gegen Dysenterie schützte, aber keine Serumantikörper messbar waren. Weitere Puzzlestücke, wie die Rolle des sekretorischen IgA für den Schutz der Schleimhäute, das Vorhandensein besonderer lymphoepithelialer Strukturen und Erkenntnisse zu Herkunft und Wanderung von Immunzellen, fügte 1974 Bienenstock zum Konzept eines „Common Mucosal Immune Systems“ (CMIS) zusammen. Dieses geht davon aus, dass an einer Schleimhautoberfläche initiierte Immunreaktionen auch zur Immunantwort an anderen Schleimhäuten und Drüsen führen – allerdings mit regional unterschiedlicher Intensität.

Schleimhautimmunsystem (SIS) im Respirationstrakt (RT)

Im RT sind afferente Anteile des SIS in Nase, Waldeyerschem Rachenring, Larynx, Trachea und Lunge (bronchus-associated lymphoid tissue, BALT) zu finden. Während bei den Labornagern keine Tonsillen und konstitutiv BALT zu finden ist, haben der Mensch und die Haustiere gut entwickelte Tonsillen und antigen-induziertes BALT. Bei verschiedenen Erkrankungen findet man hyperplastisches BALT oder induzierbares lymphatisches Gewebe (iBALT) in der Lunge. Immunzellen werden im afferenten Teil des SIS geprägt. Von dort gelangen sie über die Lymphe in den Blutkreislauf und wandern aus, sobald sie Organ- und Antigen-spezifische „homing“ Signale erhalten. Dabei zeigen sie in der Lunge eine differenzierte Verteilung in der Schleimhaut der luftführenden Wege und den Alveolen.

Anwendung des CMIS für Impfung

Es gibt bisher nur wenige für die „mucosale“ Impfung zugelassene Impfstoffe. In der Mehrzahl handelt es sich um orale Impfstoffe gegen Darmerkrankungen. Nur vereinzelt wird eine meist teilweise Protektion gegen Infektionen des RT erreicht. Aufgrund der Regionalisierung des CMIS ist für einen Schutz gegen Infektionen des RT ist Stimulierung der afferenten Anteile des SIS im RT besser geeignet. Da Schleimhäute Haupteintrittspforte für viele Infektionserreger sind und parenterale Impfstoffe die Schleimhäute oft nicht ausreichend schützen, ist zu hoffen, dass bessere Kenntnisse des CMIS zu Fortschritten in der Impfstoffentwicklung führen.