Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(06): A63
DOI: 10.1055/s-0038-1660651
Postersession: Samstag, 9. Juni 2018: 10.30 – 11.30 Uhr, Foyer
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mikrochirurgische Sequestrektomie bei einer schwangeren Patientin in 36+3 SSW

J Kummer
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin,
,
J Maier
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin,
,
D Moskopp
2   Klinik für Neurochirurgie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin
,
L Hellmeyer
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin,
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Publication Date:
06 June 2018 (online)

 

Einleitung:

Schmerzen im lumbalen Rücken treten bei 30% aller Schwangeren auf [1]. Nur selten gehen die Beschwerden auf einen Bandscheibenvorfall zurück [2]. Wir berichten über einen Fall einer mikrochirurgischen Sequestrektomie bei einer Schwangeren in 36+3 SSW mit hochgradiger Fuß- und Großzehenheberschwäche, welcher zeigt, dass mikrochirurgische Interventionen während der Schwangerschaft sicher angewendet werden können.

Fallvorstellung:

Erstvorstellung einer 37-jährigen II-G/I-P in 36+3 SSW mit seit einer Woche bestehender Lumboischialgien im Bereich des Dermatoms L5 links. Sonografisch zeigte sich eine unauffällige zeitgerecht entwickelte Einlingsgravidität. Die fetale Herzrate war unauffällig ohne Kontraktionen. In der Aufnahmeuntersuchung fiel eine hochgradige Fuß- und Großzehenheberparese links mit Kraftgrad 1/5 auf ohne Reithosenhypästhesien oder Blasen-Mastdarm-Störung.

In der durchgeführten MRT der LWS zeigte sich ein großer nach kaudal umgeschlagener, sequestrierter Bandscheibenvorfall im Segment LWK 4/5 mit Kompression der Nervenwurzel L5 links.

Es wurde die Indikation zur operativen Sanierung in Intubationsnarkose und Bereitschaft zur Not-Sectio gestellt, sodass die mikrochirurgische Sequestrektomie in Höhe LW 4/5 links über Hemilaminektomie LW 5 links folgte. Die Wurzel L5 links wurde neurolysiert. Der Eingriff wurde zur Vermeidung eines Vena-Cava-Kompressionssyndroms in Linksseitenlage der Patientin durchgeführt. Kindliche Herztöne waren unter ständiger Kontrolle mittels CTG, welches silent vereinbar mit einer Vollnarkose war.

Postoperativ war die Schmerzsymptomatik rückläufig, ebenso die Parese mit einem Kraftgrad 3 – 4/5 bei Entlassung.

In 37+6 SSW stellte sich die Patientin mit einem vorzeitigen Blasensprung vor. Sie erhielt eine prophylaktische Antibiose sowie die Geburtseinleitung mit einem Prostaglandin. Zudem erfolgte die komplikationslose Anlage einer PDA zur Schmerzlinderung. In 38+1 SSW folgte die Spontangeburt eines lebensfrischen Jungen (Gewicht 3140 g, Länge 50 cm, Apgar 9 – 10 – 10, NapH 7,24).

Diskussion:

Bandscheibenvorfälle treten mit einer Inzidenz von 1: 10.000 selten während der Schwangerschaft auf [2]. Die zunehmende mechanische Belastung der Schwangeren sowie erhöhte Spiegel an Relaxin, welches zur Auflockerung von Kollagenstrukturen führt, resultieren in einer erhöhten Instabilität der Wirbelsäule [3 – 8]. Bei Rückenschmerz mit neurologischem Defizit sollte weitere Diagnostik ggfs. operative Therapie auch in der Schwangerschaft erfolgen.

Literatur:

[1] Kristiansson P, et al. Back pain during pregnancy: a prospective study. Spine. 1996. Mar 15;21(6):702 – 9.

[2] LaBan MM, et al. Pregnancy and the herniated lumbar disc. Arch Phys Med Rehabil. 1983. Jul;64(7):319 – 21.

[3] Hisaw FL, et al. Experimental relaxation of the pubic ligament of the guinea pig. Proc Soc Exp Biol Med. 1926. 23(23):661 – 663

[4] Samuel CS, et al. The effect of relaxin on collagen metabolism in the nonpregnant rat pubic symphysis: the influence of estrogen and progesterone in regulating relaxin activity. Endocrinology. 1996. 137(9):3884 – 3890

[5] Unemori R, et al. Relaxin modulates synthesis and secretion of procollagenase and collagen by human dermal fibroblasts. J Biol Chem. 1990. 265(18):10681 – 10685

[6] Bell R, et al. Relaxin in human pregnancy serum measured with a homologous radioimmunoassay. Obstet Gynecol. 1987. 69(4):585

[7] Aldabe D, et al. Pregnancy-related pelvic girdle pain and its relationship with relaxin levels during pregnancy: a systematic review. Eur Spine J. 2012. Sep;21(9):1769 – 76.

[8] Bullock, J, et al. The Relationship of Low Back Pain to Postural Changes During Pregnancy. Australian Journal of Physiotherapy. 1987. Volume 33, Issue 1, Pages 10 – 17