Zusammenfassung
Erworbene hämatopoetische Stammzelldefekte sind ein eindrucksvolles Beispiel für Vielfalt
und Komplexität des Zustandekommens von Hämo-stasestörungen. Blutungsneigungen erklären
sich durch kompliziertes Zusammenspiel von zellulären, thrombozytopenischen Zuständen
mit proteolytischen Vorgängen der Hyperkoagula-bilität und Hyperfibrinolyse. Throm-boembolischen
Komplikationen aber scheinen noch komplexere Mechanismen zugrunde zu liegen. Neben
gesteigerter Megakaryozytenproliferation bei reaktiver Thrombozytose und entarteter
Megakaryozytenproliferation bei MPD scheinen auch die anderen Blutzellen erhebliche
Einflüsse auf Schweregrad und Lokalisation einer entstehenden Thrombose ausüben zu
können. Das sind die Erythrozyten durch den Hämatokritwert, möglicherweise auch durch
die größeren Retikulozyten, wie die Komplikationen bei Aderlaßbehandlung der PCV andeuten,
und eventuell noch durch Plättchenaktivierung bei Hämolyse. Das sind aber auch die
leukämischen Promyelozyten durch größenbedingte Leukostasephänomene bei ATRA-Behandlung
der PML. Und da ist schließlich auch das Monozyten-Makrophagen-System, dessen Aktivierung
einerseits die intestinale Lokalisation der Thrombosen bei PNH erklären könnte. Andererseits
aber macht es durch Expression von Adhäsionsmolekülen und deren besonderer Rea-gibilität
mit Endothel der zerebralen Strombahn die bevorzugte zentralnervöse Lokalisation der
Thromboseneigung bei PNH verständlich.