Zusammenfassung
Unter Berücksichtigung früherer Befunde, nach denen der Nachweis einer vollen Faktor-IX-Aktivität
eine vorausgehende, in Gegenwart von Kalzium erfolgende Kontaktaktivierung des zu
testenden Substrats durch benetzbare Oberflächen voraussetzt, wird die Aktivität des
Faktors IX in Plasma und Serum untersucht. Um dekalzifizierende Maßnahmen zu vermeiden,
werden die Bestimmungen der Plasmaaktivität in heparinisiertem, thrombozytenfreiem
Nativplasma durchgeführt. Zur Ausschaltung einer möglichen Heparinwirkung wird das
zu testende Serum in gleicher Weise wie Nativplasma mit Heparin versetzt. Die Heparinkonzentration
war mit 0,075 E/ml Nativplasma oder Serum so gewählt, daß sie die Aktivität des Faktors
IX selbst nicht beeinflußte (Tab. 1).
Mit diesen methodischen Voraussetzungen läßt sich im Normalplasma ebenso wie im Plasma
eines Patienten mit Hämophilie B keine oder nur eine sehr geringe Faktor-IX-Aktivität
nachweisen. Unter gleichen Bedingungen findet sich dagegen in Normalserum eine hohe,
in Hämophilie-B-Serum dagegen wiederum keine oder nur eine sehr geringe Faktor-IX-Aktivität.
Hinsichtlich der Faktor-IX-Aktivität ergeben sich somit zwischen Normalplasma und
Hämophilie-B-Plasma keine Unterschiede. Daraus folgt, daß die Hämophilie B nicht durch
einen plasmatischen Defekt, sondern durch eine gestörte Faktor-IX-Bildung während
des Gerinnungsablaufes charakterisiert ist.
Das Fehlen einer Faktor-IX-Aktivität in Normalplasma macht es möglich, in Einstufentests
zur Bestimmung des Faktors IX Normalplasma als „Faktor-IX-Mangelplasma“ an Stelle
von Hämophilie-B-Plasma zu verwenden, was an einigen Beispielen demonstriert wird
(Abb. 1 und 2, Tab. 2).
Sowohl bei Verwendung von Hämophilie-B-Plasma als auch bei Verwendung von Normalplasma
als „Faktor-IX-Mangelplasma“ läßt sich in Serum, das unter Silikontechnik gewonnen
wurde, ebensowenig wie im Serum eines Patienten mit Hageman-Defekt eine nennenswerte
Faktor-IX-Aktivität nachweisen. Aus diesen und früheren eigenen Befunden sowie einer
kürzlichen Mitteilung von Duckert wird gefolgert, daß die Entstehung einer maximalen
Faktor-IX-Aktivität neben einem abgelaufenen Gerinnungsvorgang, der zur Bildung einer
„Faktor-IX-Vorstufe“ führt, der Mitwirkung von Hageman-Faktor, PTA und Kalzium sowie
eines ausreichenden Kontaktes mit benetzbaren Oberflächen bedarf. Im Unterschied zur
inaktiven „Faktor-IX-Vorstufe“ wird der vollaktive Faktor IX als Intermediärprodukt
und nicht als isolierter Gerinnungsfaktor angesehen.