Gesundheitswesen 2018; 80(04): 406
DOI: 10.1055/s-0038-1639266
POSTERPRÄSENTATION
Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Benachrichtigungen von Gemeinschaftseinrichtungen (§34 IfSG) – Was verbirgt sich hinter den Daten?

S Brockmann
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Reutlingen, Germany
,
L Eichner
2   Landratsamt Reutlingen, Reutlingen, Germany
,
B Geisel
3   Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Stuttgart, Germany
,
M Hofer
2   Landratsamt Reutlingen, Reutlingen, Germany
,
J Fritz
4   Reutlingen, Reutlingen, Germany
,
C Schlegel
2   Landratsamt Reutlingen, Reutlingen, Germany
,
M Eichner
5   Institut für klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie, Tübingen, Germany
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Publication History

Publication Date:
11 April 2018 (online)

 

Benachrichtigungen von Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Schulen, Kindergärten) an Gesundheitsämter sind nicht übermittlungspflichtig an die Landesbehörden. Somit liegen wenig systematische Untersuchungen über Art und Häufigkeit und die meldenden Einrichtungen vor. Ziel dieser Studie war die Analyse der Benachrichtigungen der letzten Jahre. Dies soll der Abschätzung dienen, ob Aufwand und infektionshygienische Bedeutung der Benachrichtigungen in sinnvollem Verhältnis zu anderen Aufgaben des Gesundheitsamtes im Infektionsschutz stehen.

Im LK Reutlingen wurden alle Benachrichtigungen (Einzelfälle und Häufungen) der Kindertagesbetreuung und Schulen von 2011 – 16 systematisch erfasst. Daten des Jugend- und Schulamts lieferten die Anzahl Kinder pro Jahrgang. Wir ermittelten daraus Inzidenzen (gemeldete Erkrankungen pro Jahr und Kind) für verschiedene Erkrankungen. Ferner analysierten wir, welche und wie viele Einrichtungen nur sporadisch oder nie meldeten.

Benachrichtigungen von Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Schulen, Kindergärten) an Gesundheitsämter sind nicht übermittlungspflichtig an die Landesbehörden. Somit liegen wenig systematische Untersuchungen über Art und Häufigkeit und die meldenden Einrichtungen vor. Ziel dieser Studie war die Analyse der Benachrichtigungen der letzten Jahre. Dies soll der Abschätzung dienen, ob Aufwand und infektionshygienische Bedeutung der Benachrichtigungen in sinnvollem Verhältnis zu anderen Aufgaben des Gesundheitsamtes im Infektionsschutz stehen.

Im LK Reutlingen wurden alle Benachrichtigungen (Einzelfälle und Häufungen) der Kindertagesbetreuung und Schulen von 2011 – 16 systematisch erfasst. Daten des Jugend- und Schulamts lieferten die Anzahl Kinder pro Jahrgang. Wir ermittelten daraus Inzidenzen (gemeldete Erkrankungen pro Jahr und Kind) für verschiedene Erkrankungen. Ferner analysierten wir, welche und wie viele Einrichtungen nur sporadisch oder nie meldeten.

Im Landkreis wurden im Untersuchungszeitraum durchschnittlich jährlich 408 Einrichtungen (384 – 442) mit 51.694 Kindern (51.223 – 52.979) betreut. Im Mittel kamen jährlich von 123 Einrichtungen (107 – 147) 782 Benachrichtigungen (591 – 1.180), es meldete also nur etwa jede dritte Einrichtung (26 – 36%). Die meldenden Einrichtungen hatten im Mittel insgesamt 23.581 Kinder (19.930 – 26.725). Im Mittel ergaben sich 33 Meldungen pro 1.000 Kinder/Jahr (24 – 44). Insgesamt kam es zu 1.874 Kopflausmeldungen (40%), 1.179 Scharlachfällen (25%), 1.093 Magen-Darm-Infektionen (23%), 283 Windpockenfällen (6%), 17 Keuchhustenfällen (< 0,4%), 17 Impetigo contagiosa (0,4%) und 3 Skabiesfällen (< 0,1%); 26% der Benachrichtigungen erfolgten im Rahmen von Häufungen; 7% waren nach §§6 – 7 IfSG meldepflichtig. Die Hochrechnung der Daten unter Berücksichtigung von Einrichtungen die fälschlich nie meldeten, ergibt jährlich weit über 1.000 Benachrichtigungen. Dies entspräche fast einer Verdoppelung des bisherigen Meldeaufkommens.

Jährlich kamen es im LK Reutlingen pro 30 betreuter Kinder zu etwa einer Benachrichtigung nach §34 IfSG, wobei 90% auf Kopfläuse, Gastroenteritis und Scharlach zurückzuführen waren. Drei Viertel der Erkrankungen wurden als Einzelfälle gemeldet, größere Häufungen fanden sich nur bei Magen-Darm-Infektionen und Atemwegserkrankungen. Die Anzahl Benachrichtigungen nach §34 war ähnlich hoch wie die Meldungen nach §§6 – 7 IfSG; sie liegt also ungefähr zehnmal so hoch, wie vom RKI im Rahmen der Vorbereitung auf DEMIS angenommen wurde. Sollte sich die Meldecompliance der Einrichtungen durch DEMIS verbessern, könnte der jährliche Arbeitsaufwand sogar 20mal so groß sein. Auch wenn nicht alle Benachrichtigungen weitreichende Maßnahmen und Beratungen nach sich ziehen, wird deutlich, dass sie einen erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand darstellen. Ein Wegfall der Benachrichtigungspflicht oder die Beschränkung auf Häufungen würde Gesundheitsämtern die Möglichkeit geben, vorhandene Ressourcen im Infektionsschutz besser einzusetzen.