Gesundheitswesen 2018; 80(04): 394
DOI: 10.1055/s-0038-1639234
VORTRÄGE
Umweltmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Trifluoressigsäure (TFA) im Trinkwasser – eine regulatorische Herausforderung?

ND Costa Pinheiro
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Umweltmedizin, -hygiene & -epidemiologie, Hannover, Germany
,
R Suchenwirth
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Umweltmedizin, -hygiene & -epidemiologie, Hannover, Germany
,
KM Wollin
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Umweltmedizin, -hygiene & -epidemiologie, Hannover, Germany
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Publication History

Publication Date:
11 April 2018 (online)

 

Seit Ende 2016 sind aus Deutschland für Trifluoressigsäure (TFA) erhöhte Gehalte in Oberflächen- und Trinkwasserproben berichtet worden. Trinkwasserkonzentrationen bis maximal 1,5 µg/L wurden für Niedersachsen in einer Pilotstudie des Industrieverband Agrar e.V. (IVA) aus 2016/17 mitgeteilt. In 5 der 65 gemessenen Proben wäre der Gesundheitliche Orientierungswert (GOW) des UBA für TFA von 1,0 µg/L damit überschritten worden, nicht jedoch der im Januar 2017 aktualisierte GOWTFA in Höhe von 3,0 µg/L.

TFA stellt dennoch eine grundsätzliche regulatorisch-toxikologische Herausforderung dar: Die Säure kommt ubiquitär vor, ist extrem polar, gut wasserlöslich und mobil, gilt zugleich als weitgehend persistent und ist nur schwer aus dem Wasser zu entfernen. Die Datenlage zur Belastung des Roh- und Trinkwassers mit TFA ist allgemein unzureichend und ist zur besseren Identifizierung möglicher Eintragsquellen und Entwicklung möglicher Minderungsstrategien zwingend zu verbessern. Elementare Voraussetzung für eine flächendeckende Datenerhebung ist die Verfügbarkeit einer validen chemischen Analytik zur Bestimmung von TFA in Wasser mit zu definierenden Mindestqualitätskriterien.

Im Sinne eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes wird das bisher im systematischen Trinkwasser-Monitoring nicht berücksichtigte TFA erstmalig in die „Niedersächsische Landesliste – Trinkwasseruntersuchungen auf Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte 2018“ (NiLaLi) aufgenommen. Mittels der NiLaLi wird dem kommunalen öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) empfohlen, bei der Trinkwasserüberwachung TFA künftig in das Untersuchungsspektrum aufzunehmen.

Zudem sind für TFA grundsätzliche Aspekte der gesundheitlichen Bewertung in Trinkwasser und im regulatorischen Kontext auch zu anderen Bereichen zu diskutieren:

  1. Der Anteil von Pflanzenschutzmitteln (PSM als Eintragsquelle ist zu quantifizieren. Zudem sollten Ergebnisse des PSM-Gewässermonitorings im Zulassungsverfahren Berücksichtigung finden (Vergleich der Messwerte des Monitorings mit modellierten Ergebnissen der Grundwasserbelastung).

  2. TFA stammt aus verschiedensten anthropogenen Quellen und kommt ubiquitär in der Umwelt vor. Daher ist strenggenommen die alleinige Betrachtung von PSM als Eintragspfad bzw. Regulierung über das PSM-Recht unzureichend. Der Einsatz aller TFA-Bildner sollte identifiziert und hinterfragt werden, insbesondere in Trinkwassergewinnungsgebieten.

  3. Der komplexe Zusammenhang mit anderen Regelungsbereichen ist zu analysieren (TFA-Monitoring in Grund-/Oberflächenwasser versus Kriterien zur Genehmigung von TFA-Abwassereinleitungen).

  4. Die gesundheitliche Bewertung von TFA ist zu entscheiden. Mit dem vorläufigen ADI der EFSA (2014) von 0,05 mg/kg KG/d und den Kriterien/Expositionsannahmen nach WHO (2011) führt die toxikologische Ableitung zu einem Trinkwasserleitwert von 300 µg/L (20% ADI-Allokation) gegenüber dem GOWTFA von 3 µg/L.