Nervenheilkunde 2015; 34(06): 436-440
DOI: 10.1055/s-0038-1627426
Ärztlich assistierter Suizid
Schattauer GmbH

Organisierte Suizidbeihilfe und ärztlich assistierter Suizid

Eine ethische PerspektiveOrganised and legitimizing physician assisted suicide
G. Hohendorf
1   Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Technischen Universität München und Abteilung für Klinische Toxikologie, Klinikum rechts der Isar
,
F. Bruns
2   Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

eingegangen am: 13 March 2015

angenommen am: 17 March 2015

Publication Date:
25 January 2018 (online)

Zusammenfassung

Die aktuelle Debatte um die Sterbehilfe in Deutschland konzentriert sich auf die Frage eines Verbots von organisierter Suizidbeihilfe und eine mögliche Legitimation des ärztlich assistierten Suizids. Damit verbunden ist eine Enttabuisierung des Suizids im Angesicht von Alter, Demenz und drohender Pflegebedürftigkeit. über die Hälfte der Menschen, die 2011 von der Organisation „SterbeHilfe- Deutschland e. V.” bei ihrem Suizid unterstützt wurden gaben als ein wesentliches Motiv ihres Suizidwunsches an, nicht in ein Pflegeheim zu wollen. Die Autoren argumentieren aus einer ethischen und therapeutischen Perspektive heraus dafür, dass Menschen mit Todeswünschen in ihrer Not und Verzweiflung ernst genommen werden, aber auch ein Recht darauf haben, dass der Vollendung ihrer Selbsttötungsabsicht im Sinne einer sozialen Sinngebung des Lebens widersprochen wird.

Summary

The debate on physician assisted dying in Germany focuses on banning assisted suicide by organisations and legitimizing physician assisted suicide. In this respect suicide because of age, dementia and need for care is freed from taboos. Most of those suiciders who called for attendance by the organization “SterbeHilfeDeutschland e. V.” motivated their wish to die by not wanting to live in a nursing home. From an ethical and therapeutic perspective human beings who wish to die should by be taken seriously and with respect, but they might have the right that someone contradicts the fulfilment of their suicidal intention. Thus the sense of life as a social phenomenon might be sustained.

 
  • Literatur

  • 1 Arnold UC. Letzte Hilfe - Ein Plädoyer für das stbestimmte Sterben. Reinbek: Rowohlt 2014
  • 2 Arsenault-Lapiere G, Kim C, Turecki G. Psychiatric diagnoses in 3275 suicides: a meta-analysis. BMC Psychiatry 2004; 4: 37.
  • 3 Bauer A, Vollmann J. Einwilligungsfähigkeit bei psychisch Kranken. Eine Übersicht empirischer Untersuchungen. Nervenarzt 2002; 73: 1031-1038.
  • 4 Berner B. Notarzt muss freiverantwortlichen Suizidenten nicht retten. Dtsch Ärztebl 2014; 111: A 1892
  • 5 Borasio GB. selbst bestimmt sterben. Was es bedeutet. Was uns daran hindert. Wie wir es erreichen können. München: C. H. Beck 2014
  • 6 Borasio GD, Jox RJ, Taupitz J, Wiesing U. Selbstbestimmung im Sterben - Fürsorge zum Leben. Ein Gesetzesvorschlag zur Regelung des assistierten Suizids. Stuttgart: Kohlhammer 2014
  • 7 Bruns F, Hohendorf G. Contra: Organisierte Suizidbeihilfe. Ethik Med 2015: 27; dio: 10.1007/s00481-015-0341-0.
  • 8 Fenner D. Suizid - Krankheitssymptom oder Signatur der Freiheit. Eine medizinethische Untersuchung. Freiburg: Karl Alber 2008
  • 9 Gather J, Vollmann J. Physician-assisted suicide of patients with dementia. A medical ethical analysis with a special focus on patient autonomy. Int J Law and Psychiatry 2013; 36: 444-453.
  • 10 Gavela K. Ärztlich assistierter Suizid und organisierte Sterbehilfe. Heidelberg: Springer 2013
  • 11 Herrndorf W. Arbeit und Struktur. Berlin: Rowohlt 2013
  • 12 Hohendorf G., Oduncu FS. Der ärztlich assistierte Suizid. Freiheit zum Tode oder Unfreiheit zum Leben? Ethik 2011; 57: 230-242.
  • 13 Hohendorf G. Der Tod als Erlösung vom Leiden. Geschichte und Ethik der Sterbehilfe seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Göttingen: Wallstein 2013
  • 14 Hohendorf G. Auf der schiefen Ebene. Zur Praxis von Sterbehilfeorganisationen in Deutschland. Zeitschrift für Lebensrecht 2014; 23: 52-57.
  • 15 Jox RJ. Sterben lassen. Über Entscheidungen am Ende des Lebens. Hamburg: edition Körber Stiftung 2011
  • 16 Kusch R. Das letzte Recht im Leben - Wer hat die Nase vorn: Deutschland oder die Schweiz?. In: Wehrli H, Sutter B, Kaufmann P Der organisierte Tod. Sterbehilfe und Selbstbestimmung am Lebensende. Zürich: Orell Füssli; 2012: 57-64.
  • 17 Kusch R, Spittler JF. Weißbuch 2012. SterbeHilfeDeutschland e. V.. Norderstedt: Books on Demand 2012
  • 18 Lahann B. Sprechen, Schreiben, Schweigen. Der Tagesspiegel 1.3.2015, S. 25.
  • 19 Neitzke G. et al. Empfehlungen zum Umgang mit dem Wunsch nach Suizidhilfe. Arbeitsgruppe „Ethik am Lebensende” in der Akademie für Ethik in der Medizin e. V. (AEM). Ethik Med 2013; 25: 349-365.
  • 20 Reiter U. Mein Tod gehört mir. Süddeutsche Zeitung, 21.12.2013: 2.
  • 21 de Ridder M. Wie wollen wir sterben? Ein ärztliches Plädoyer für eine neue Sterbekultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2010
  • 22 Spittler JF. Die präsuizidale Entwicklung zu einem assistierten Suizid. Nervenheilkunde 2004; 23: 292-296.
  • 23 Spittler JF. Argumente, Gründe und Motive auf dem Weg in einen assistierten Suizid. Nervenheilkunde 2006; 25: 855-860.
  • 24 Spittler JF. Organisierte Suizid-Beihilfe in Deutschland. Die Realität aus ärztlich-psychiatrischer Sicht. In: Neumann G. (Hrsg.): Suizidhilfe als Herausforderung. Arztethos und Strafbarkeitsmythos. Aschaffenburg: Alibri; 2012: 142-150.
  • 25 Tolmein O. Arzthilfe beim Suizid? Ein missbrauchtes Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts. Frank All Z vom 3.4.2012.
  • 26 Warntjen M. Strafbarkeitsrisiko in Suizidfällen - Im Zweifel das Leben erhalten. Dtsch Ärztebl 2014; 111: 1520-1521.
  • 27 Wittwer H. Selbsttötung als philosophisches Problem. Über die Rationalität und Moralität des Suizids. Paderborn: mentis 2003