Nervenheilkunde 2006; 25(03): 147-156
DOI: 10.1055/s-0038-1626455
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Schattauer GmbH

Management und medikamentöse Behandlung einer spastischen Bewegungsstörung

Management and medical treatment of one spastic movement disorder
T. Winter
1   Neurologische Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten
,
J. Wissel
1   Neurologische Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten
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Publication Date:
19 January 2018 (online)

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Zusammenfassung

Neben der Parese ist die spastische Muskeltonuserhöhung als Teil des so genannten “Upper Motoneuron Syndroms” (UMNS) eine weitere typische Folge von Läsionen im zentralen senso-motorischen neuronalen Netzwerk. Die Patienten sind dadurch zusätzlich über die Muskelschwäche hinaus in ihrer Beweglichkeit und Koordination eingeschränkt und leiden häufig auch unter Schmerzen sowie Komplikationen wie Kontrakturen oder Hautläsionen durch mechanischen Druck. Die motorische Übungsbehandlung, aber auch die Lagerung und Körperhygiene können durch die schwere Spastizität erheblich beeinträchtigt sein. Da Pflege und Therapie neben der antispastischen Medikation wesentliche Aspekte der Spastikbehandlung abbilden, erfolgt die Planung und Umsetzung antispastischer Maßnahmen idealerweise im multi-professionellen Team, das von einem in der Spastikbehandlung geschulten Arzt geleitet wird, unter Einbeziehung der Wünsche des Patienten sowie seiner Angehörigen. Wesentlich ist dabei unter anderem das Vermeiden von Spastizität auslösenden Faktoren, wie beispielsweise Entzündungen oder einschnürende Kleidung. Die orale antispastische Medikation spielt wegen ihrer geringen therapeutischen Breite bei lokalen Schwerpunkten der spastischen Bewegungsstörung heute nur noch eine nachgeordnete Rolle. Bei der schweren Para- oder generalisierten Tetraspastik kann durch die intrathekale Applikation von Baclofen mittels implantierbarer Pumpensysteme eine deutliche Minderung der Spastizität mit Erleichterung von Pflege und Therapie, Verbesserung der Lebensqualität und Vermeidung von Komplikationen erreicht werden. Bei der schweren Spastizität mit fokalen Behinderungsschwerpunkten stellt die lokale Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin A in Kombination mit motorischer Übungsbehandlung und Rederessionsmaßnahmen ein effizientes und sicheres Verfahren dar, das wesentlich dazu beitragen kann die motorischen Fähigkeiten der Patienten zu verbessern, Spastizitäts assoziierte Schmerzen zu mindern und Komplikationen zu vermeiden. Bei schweren Gelenkfehlstellungen oder drohenden Kontrakturen sollte zusätzlich die serielle Redression zur Haltungskorrektur und Funktionsverbesserung der betroffenen Extremität eingesetzt werden.

Summary

Spasticity and paresis are major elements of the so called “upper motoneuron syndrome” (UMNS), a common sequel of lesions of the central sensory-motor neuronal network. Individuals suffering from spastic paresis are limited in their movement capacity related to muscle weakness, but also because of fatigue, pain, spasticity or related complications like contractures. Quality of life is reduced markedly, therapy and care are restricted by increased spastic muscle tone. Treatment of spasticity has to be planned and carried out in the multiprofessional team under guidance of a specialised physician. Factors that can trigger or increase spastic muscle tone such as inflammation or tight clothes should be avoided. The efficacy of oral antispastic medication is limited, often severe systemic side effects leads to non-compliance. In severe spastic paraplegia or severe generalised spastic tetraparesis intrathecal application of baclofen administered by implantable infusion systems leads to successful reduction of muscle tone with improved conditions for care and increased quality of live. In severe spasticity with focal impairment local injection of Botulinumtoxin A has proven to be an efficacious and safe therapy to reduce spastic muscle tone and associated pain and improve motor function in combination with motor training. Severe joint deviation as a condition of spasticity or threatening loss of joint mobility by contracture should be treated with Botulinumtoxin A in combination with serial casting.