Phlebologie 2010; 39(02): 104-111
DOI: 10.1055/s-0037-1622296
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Schattauer GmbH

The desperate plea of women with the nutcracker syndrome[*]

Der verzweifelte Appell der Frauen mit Nussknacker-Syndrom
J. L. Villavicencio
1   Distinguished Professor of Surgery, Department of Surgery, Uniformed Services University School of Medicine, Bethesda, MD, USA
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Received: 17 February 2010

Publication Date:
04 January 2018 (online)

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Summary

Objective: To increase awareness on the severe impact of the nutcracker syndrome in women with undiagnosed disease. Patients and methods: We reviewed the medical literature and analyzed six representative series with 73 patients with nutcracker syndrome. Women with left flank pain, dyspareunia, dysuria, dysmenorrhea, micro- or macrohaematuria and pelvic congestion symptoms, should be carefully investigated for evidence of meso aortic left renal vein compression. A good number of our colleagues do not believe in the existence of the nutcracker syndrome and send these patients in a long pilgrimage in search of someone who can help them to get relief to their pain. New and improved imaging techniques can assist in the diagnosis but retrograde reno-gonadal phlebography and renocaval gradient are the most reliable diagnostic tools. Results: Among an assortment of treatment techniques, renal vein transposition and endovenous stenting were the two most commonly used procedures. There are no long term studies on renal vein stenting in children and young adults. Its use in these cases should be carefully considered. The nutcracker syndrome may present with pelvic congestion symptoms and its diagnosis missed. The patient's age, severity of symptoms and haemo dynamic renal studies should guide the treatment. Conclusion: An increased awareness of the existence of the nutcracker syndrome may prevent many unfortunate undiagnosed women from spending many months and often years of suffering.

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Kompression der linken Nierenvene im Übergang zwischen Aorta und der oberen Mesenterialarterie (Nussknacker-Phänomen) kann Symptome einer Nierenvenenobstruktion bzw. Hypertonie oder einen schweren venösen Rückstau in der Gonadenvene oder beides verursachen. Die Symptome wie Schmerzen im Lumbalbereich, Dyspareunie, Dysmenorrhö, Hämaturie und ein Beckenvenensyndrom führen Patientinnen zu verschiedenen Fachärzten, die mit dem Nussknacker-Syndrom oft nicht vertraut sind. Die Patientinnen werden depressiv, fühlen sich gestresst und verzweifelt. Wir führten eine umfassende Überprüfung der gegenwärtigen Fortschritte bei der Diagnose und der Behandlung der Patientinnen mit diesem Syndrom durch und aktualisierten die Ergebnisse unserer kürzlich veröffentlichten Erfahrungen. Materialien und Methoden: Es wurde eine Recherche der aktuellen medizinischen Literatur durchgeführt und die Ergebnisse einer repräsentativen Untersuchungsreihe an 73 Patientinnen mit Nussknacker-Syndrom tabellarisch dargestellt. Die Tabelle fasst unsere neuesten Erfahrungen bezüglich der operativen und endovaskulären Therapie von 17 Patientinnen mit Nussknacker-Syndrom zusammen, die in unseren Krankenhäusern untersucht wurden. Die Verdachtsdiagnose aufgrund der klinischen Untersuchung wird durch Bestimmung des renokavalen Gradienten anhand einer retrograden Phlebographie der Nieren- und Gonadenvene (ein Gradient > 3 mmHg ist diagnostisch beweisend) oder durch die duplexsonographische Bestimmung der höchsten Strömungsgeschwindigkeit in der Nierenvene bestätigt. Obwohl dreidimensionale Mehrschicht-CT-Angiographie und Magnetresonanztomographie inzwischen häufiger eingesetzt werden, war unserer Erfahrung nach die retrograde Phlebographie der Nierenvene am besten geeignet. Therapie: Hauptsächlich zwei Verfahren wurden zur Behandlung schwerer Fälle des Nussknacker-Syndroms angewendet: operative Interventionen und Ballonangioplastie in Kombination mit endovaskulären Stents. Zu den häufigsten Operationsmethoden gehören: Transposition der Nierenvene, gonadokavaler Bypass, Nephropexie, splenorenaler Bypass, Nephrektomie und Transposition der Mesenterialarterie. Leichte Symptome können konservativ behandelt werden. In den meisten Fällen betrug die Nachbeobachtungsphase 12 bis 80 Monate. Ergebnisse: Die Auswertung der Ergebnisse der repräsentativen Untersuchungsreihe in der Tabelle zeigt: Bei Patientinnen mit leichten Symptomen ist eine konservative Behandlung gerechtfertigt (32/73 = 43,8%). Bei schweren Fällen erfolgten verschiedene Eingriffe: endovaskuläre Stents (8/73 = 11%), externe Stents (2/73 = 2,7%), Transposition der linken Nierenvene (27/73 = 37%), gonado kavaler Bypass (3/73 = 4%); bei einer Patientin wurde erfolgreich ein splenorenaler Bypass durchgeführt, allerdings war die Nachbeobachtungsphase relativ kurz. Das Nussknacker-Syndrom kann zu einem Beckenvenensyndrom führen, bei einigen Patientinnen mit Nussknacker-Syndrom wurde irrtümlich eine Embolisation der Gonadenvene durchgeführt, ohne die hämodynamische Obstruktion der Nierenvene zu korrigieren. Diese Methode ist indiziert, wenn ein hämodynamischer Nachweis für einen schweren Rückstau in der Gonadenvene vorliegt und der Venendurchmesser weniger als 12 mm beträgt. Größere Gonadenvenen sollten endoskopisch entfernt werden (Risiko einer Spiralembolisation in großen Venen). Langzeitergebnisse zu endovaskulären Stents scheinen größere Aussagekraft zu haben (bis zu 10 Jahren in manchen Untersuchungsreihen). Die Transposition der Nierenvene ist ein bewährtes Verfahren mit hervorragenden Langzeitergebnissen, aber bis dato wurde der Eingriff, wie auch in unseren Fällen, offen durchgeführt. Über laparoskopische Verfahren wurde ebenfalls berichtet und diese bieten eine gute Alternative zu offenen Eingriffen. Schlussfolgerungen: 1.) Patientinnen mit Nussknacker-Syndrom sollten je nach Lebensalter, Schwere der Symptome und hämodynamischen Befund behandelt werden. 2.) Junge Menschen und Kinder sollten mit einer dauerhaften Methode behandelt werden (z. B. Nierenvenentransposition), da Kinder wachsen und Stents nicht mitwachsen. Bisher liegen keine Informationen vor, wie lange Stents bei Kindern wirksam sind. Dies kann sich ändern, da Stents immer besser werden und immer mehr Erfahrungen vorliegen. 3.) Bei Patientinnen mit Nussknacker-Syndrom und schwerem Rückstau in der Gonadenvene sollte die Obstruktion korrigiert und der Rückstau erneut untersucht werden. Falls erforderlich, sollte einige Wochen nach dem Ersteingriff eine Spiralembolisation folgen. 4.) Bei leichten Symptomen sind konservative Behandlung und engmaschige Verlaufsbeobachtung ratsam.

* Vortrag zur Verleihung der Ratschow-Gedächtnismedaille durch das Curatorium Angiologiae Internationalis im Rahmen des UIP-Kongresses 2009 in Monaco