Zusammenfassung
Neue Einblicke in die Struktur und Funktion des menschlichen Blutgefäßsystems und
die Interaktion der Gefäßintima mit dem Blut führen zu einem umfassenden Verständnis
des Krankheitsbildes der Chronischen Venenerkrankung in den unteren Extremitäten,
das sich auf dem Boden ungünstiger physikalischer Durchblutungsbedingungen im Zusammenwirken
mit heute gut aufgeklärten zellphysiologischen Prozessen autokatalytisch immer stärker
ausprägt. Eine zentrale Stellung nehmen dabei das hochspezialisierte Endothel der
Venulen und die zugehörigen Perizyten in den engen nutritiven Mikrogefäß-netzen (Vasa
venarum) der Venenwand ein. Bei Reflux und Stase kann es im Venenblut zur Freisetzung
schon in kleinsten Konzentratio-nen hochwirksamer, in metabolischer Koope-ration zwischen
Plättchen und Neutrophilen Granulozyten gebildeter Freisetzungsprodukte kommen, die
in den spezialisierten Venulen der Gefäßwand zu einem raschen Zusammenbruch der Endothelschranke
und zur lokalen Entste-hung entzündlicher Ödeme führen. Durch den ausschließlich auf
den Perizyten vorliegenden Gewebefaktor werden rasch interstitielle Gerinnungsprozesse
initiiert, die auch auf den In-travasalraum übergreifen können. In der Folge kommt
es auch zu sich autokatalytisch verstärkenden und immer weiter ausbreitenden entzündlichen
Prozessen. Übliche Therapieansätze müssen vor diesem Hintergrund neu überdacht werden.
Summary
A new understanding of the interaction between the venous intima and the blood has
permitted the development of a new model for the pathogenesis of chronic venous disease,
in which the physical conditions determining perfusion are linked causally to the
initiation of hemostasiological and inflammatory processes. The highly specialized
endothelial cells and pericytes in the venules of the nutritive microvascular system
of the vein walls (Vena venarum) play central roles in the pathogenesis of this illness.
Release products of metabolically cooperating platelets and polymorphonuclear neutrophils
result in the rapid breakdown of the venular barrier and cause spreading inflammatory
edema. Tissue factor, expressed abundantly on the sub-endothelial pericytes immediately
initiates coagulatory processes. Thrombin, at first generated only locally, involves
increasing numbers of the activated blood cells, which autocatalytically reinforce
their mutual activation. Due to the adverse physical and geometric conditions in the
larger leg veins these self-propelled pathophysiological events cannot be further
controlled by the endothelium, so that Chronic Venous Disease develops chronically
and in stages. Current therapeutic approaches are examined critically against this
background.
Schlüsselwörter Chronische venöse Insuffizienz - Kompressionstherapie - venoaktive Medikamente - Thrombose
- Thrombophlebitis - Endothelzellen - Perizyten - Vasa venarum
Keywords Chronic venous insufficiency - compression therapy - venoactive drugs - thrombosis
- thrombophlebitis - endothelial cells - pericytes - Vasa venarum