Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(S 01): E1-E113
DOI: 10.1055/s-0037-1607925
Poster
Psychosomatik und soziale Themenschwerpunkte
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der maternale Gesundheitszustand und die geburtshilfliche Versorgung geflüchteter Frauen

A Kasper
1   Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
27 October 2017 (online)

 

Fragestellung:

Etwa 1/3 der in Deutschland schutzsuchenden Menschen sind weiblich. Die Mehrheit aller geflüchteten Frauen befindet sich aktuell/zukünftig im gebärfähigen Alter. Neben der Schwangerschaft stellen die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Flucht einen besonderen Versorgungsbedarf dar. Für die geburtshilfliche Versorgung geflüchteter Frauen stellt sich die Frage: Was ist über den Gesundheitszustand und die Versorgung geflüchteter Frauen während der Phase des Mutterwerdens bekannt?

Methodik:

Ein Scoping Review soll Erkenntnisse zur Müttergesundheit geflüchteter Frauen eröffnen. Die Literaturrecherche (02/2017) fand in den Datenbanken PubMed; CINAHL; PSYNDEX, PsycINFO statt. Für die Literaturauswahl wurden vorab festgelegte Ein- und Ausschlusskriterien angelegt.

Ergebnis:

Knapp die Hälfte der Publikationen betrachtet die Gesundheit während der Schwangerschaft, zu je ¼ werden die Gesundheitsdeterminanten zur Geburt bzw. zur gesamten Phase des Mutterwerdens betrachtet. Die Daten stammen dabei zu ¾ aus Ländern des globalen Nordens. Studien weisen bzgl. der Herkunft der Frauen eine heterogene Studienpopulation auf. Die Mehrheit der Publikationen sind empirische Arbeiten, die sich zu etwa gleichen Teilen in quantitative und qualitative Designs aufteilen.

Der allgemeine Gesundheitszustand geflüchteter Frauen ist beeinträchtigt. Geflüchtete Frauen sind psychisch besonders belastet. Neben allgemeiner Gewalterfahrungen leiden sie vielfach unter den Folgen sexuellen Missbrauchs. Zudem treten im Vergleich zu einheimischen Frauen vermehrt Depressionen, Angst- und Stressproblematiken auf, insbesondere im Wochenbett ist das Risiko für eine postpartale Depression erhöht.

Geflüchtete Frauen sind häufiger Multipara und weisen in vielen Fällen eine rasche Schwangerschaftsfolge auf. Im Schwangerschaftsverlauf geflüchteter Frauen sind vermehrt Schwangerschaftskomplikationen und -erkrankungen zu beobachten. Sie gebären überwiegend spontan. Ein Unterschied in der Frühgeburtlichkeit und dem Geburtsgewicht zwischen Kindern geflüchteter und einheimischer Frauen kann durch dieses Scoping Review nicht bestätigt werden.

Zudem zeigt das Scoping Review Defizite in der Versorgung dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe auf: strukturelle Zugangsbarrieren durch Probleme in der sprachlichen Verständigung, durch fehlende Kompetenzen auf Seiten der professionellen AkteurInnen (Kultursensibilität) und durch mangelnde Kenntnisse der geflüchteten Frauen (Zurechtfinden im Gesundheitswesen).

Schlussfolgerung:

Dieses Scoping Review konstatiert einen beeinträchtigten Gesundheitszustand sowie psychische Belastungen geflüchteter Frauen. Zudem ist die Versorgung während der Phase des Mutterwerdens defizitär und unzufriedenstellend. Es liegen nur sehr wenige wissenschaftliche Studienergebnisse für Deutschland vor. Erkenntnisse anderer Settings sind nicht problemlos übertragbar, sodass es weiterer Forschung zur geburtshilflichen Versorgungssituation geflüchteter Frauen in Deutschland bedarf.