Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(S 01): E1-E113
DOI: 10.1055/s-0037-1607923
Poster
Psychosomatik und soziale Themenschwerpunkte
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Einfluss von Migration auf Schwangerschaft und Geburt: Erleben der geburtshilflichen Versorgung von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund im Vergleich

B Gürbüz
1   Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin, Germany
2   Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Geburtsmedizin, Leipzig, Germany
,
M Vortel
1   Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin, Germany
,
C Großkreutz
1   Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin, Germany
,
H Stepan
2   Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Geburtsmedizin, Leipzig, Germany
,
W Henrich
1   Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin, Germany
,
T Borde
3   Alice-Salomon-Hochschule Berlin, Berlin, Germany
,
M David
4   Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie, Berlin, Germany
,
V Seidel
1   Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin, Germany
5   Berlin Institute of Health (BIH), Berlin, Germany
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. Oktober 2017 (online)

 

Fragestellung:

Ca. 21% der Einwohner/-innen Deutschlands haben derzeit einen Migrationshintergrund (MH). Ein positives Geburtserlebnis ist für die psychische Gesundheit einer Frau von großer Bedeutung. Eine australische Studie (Brown et al. 1998) zur Zufriedenheit mit der Betreuung während der Geburt zeigt, dass Migrantinnen ihr Geburtserleben aus unterschiedlichen Gründen häufiger negativ bewerten. Eine Studie zu dieser Thematik ist in Deutschland bisher nicht durchgeführt worden.

Unsere Primärfragestellung lautet: Gibt es Unterschiede in der Zufriedenheit der peripartalen Versorgung von Migrantinnen im Vergleich zu Patientinnen ohne MH?

Methoden:

Allen volljährigen Frauen auf der Wochenbettstation des Virchow-Klinikums der Charité, die nicht durch eine Beleghebamme betreut wurden, wurde eine Studienteilnahme angeboten. Für die Befragung wurde der international validierte Migrant Friendly Maternity Care Questionnaire von Gagnon et al. 2014 verwendet. Der Fragebogen wurde in sechs verschiedenen Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch und Türkisch) zur Verfügung gestellt. Mit ihm werden die Aspekte Zugang zum Gesundheitswesen, medizinische Risiken, Kommunikation, Daten zur Migrationsgeschichte, sozio-demographische Charakteristika, Zufriedenheit mit der geburtshilflichen Versorgung erfasst (insgesamt 93 Fragen). Die Fallzahlschätzung wurde auf der Grundlage der Ergebnisse der o.g. australischen Studie (Brown et al. 1998) vorgenommen: n = 400 Frauen.

Ergebnisse:

Für die Zwischenanalyse wurden die Antworten von 134 Patientinnen ohne MH und 134 Migrantinnen 1. Generation (selbst aus dem Ausland nach Deutschland immigriert) ausgewertet. Die Fragebögen wurden meist mithilfe von Interviewerinnen ausgefüllt. Die Rücklaufquote betrug 53%. Die häufigsten Herkunftsländer der Migrantinnen waren Türkei (19%), Syrien (16%) und Polen (10%). Die Aufenthaltstitel der Migrantinnen sind EU-Bürgerschaft (21%), Familiennachzug (19,4%) und Flucht (15%). Im Vergleich der Frauen ohne MH und Migrantinnen zeigt sich kein Unterschied bezüglich des Alters (Mittelwert jeweils 31 Jahre), aber bezüglich der Parität: Frauen ohne MH in 60% Erstgebärende, Migrantinnen in 40%.

Es zeigt sich bezüglich der Primärhypothese kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen: Ganz zufrieden mit den verschiedenen Betreuungsaspekten während der Geburt waren 51,2% der Frauen mit MH und 48,8% ohne MH (p = 0,302 im 2-seitigen exakten Test nach Fisher).

Frauen, die die Informationen in einer anderen Sprache besser verstanden hätten (58% der Migrantinnen), bekamen nur in 32% eine Übersetzung angeboten. Am häufigsten übersetzte der Ehemann.

Schlussfolgerungen:

Die vorläufigen Studienergebnisse zeigen keine signifikante Diskrepanz bezüglich der subjektiv erlebten Versorgungsqualität sub partu. Allerdings ist offenbar insgesamt Verbesserungspotential vorhanden. Es besteht dringender Bedarf für institutionalisierte professionelle Sprachmittlung.