Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(S 01): E1-E113
DOI: 10.1055/s-0037-1607838
Poster
Mütterliche Erkrankungen (Präeklampsie, Diabetes mellitus etc)
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Immunthrombozytopenie in Schwangerschaft und Wochenbett – ein Fallbericht

O Schelkunov
1   St. Vinzenz Krankenhaus Hanau, Gynäkologie und Geburtshilfe, Hanau, Germany
,
R Csorba
2   Klinikum Aschaffenburg-Alzenau, Gynäkologie und Geburtshilfe, Aschaffenburg, Germany
,
P Tsikouras
3   Democritus University of Thrace, Department of Obstetrics and Gynecology, Alexandroupolis, Greece
,
GF von Tempelhoff
1   St. Vinzenz Krankenhaus Hanau, Gynäkologie und Geburtshilfe, Hanau, Germany
› Author Affiliations
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Publication Date:
27 October 2017 (online)

 

Thrombozytopenien treten in der Schwangerschaft mit einer Inzidenz von ca. 6 bis 12% auf, wobei in bis zu 4% der Fälle eine Immunthrombozytopenie (ITP) vorliegt. Zur Behandlung der schweren Thrombozytopenie kommen als Therapie der ersten Wahl in Schwangerschaft und Wochenbett intravenös hoch dosierte Immunglobuline (IVIG) und/oder Kortison zum Einsatz. Neben thrombozytopenischen Blutungen können auch Thrombosen den Verlauf der ITP komplizieren.

Fragestellung:

Während der IVIG-Therapie einer Patientin mit chronischer ITP führten wir ein blutrheologisches, impedanzplethysmographisches und hämostaseologisches Monitoring in Schwangerschaft und Wochenbett durch.

Methodik:

Neben Blutbildkontrollen umfassten die rheologischen Bestimmungen Plasmaviskosität (KSV-1), Erythrozyten-Aggregation (stase, low shear; MAI-1) und -Verformbarkeit (low-, moderate- und high-shear; Rheodyn). Gerinnungsbestimmungen erfolgten mittels Thrombelastometrie (ROTEM), Thrombozyten-Funktionstestung (PFA 100) sowie D-Dimer- und Fibrinogen-Konzentrationsbestimmungen. Zum Thrombosescreening kam die venöse Verschlussplethysmografie (Filtrass) zum Einsatz.

Ergebnis:

Über den Verlauf der Schwangerschaft war eine zunehmende Steigerung der IVIG-Dosis auf bis zu 30 g wöchentlich präpartal notwendig. Die Thrombozytenzahlen lagen minimal bei 8 Tsd/µl. Die Immuntherapie war im Gegensatz zu Gesunden im Schwangerschaftsverlauf mit einer kontinuierlichen Zunahme der Plasmaviskosität und Abnahme der Erythrozyten-Aggregation verbunden, währenddessen die Verformbarkeit sich kaum änderte. Die maximale Gerinnselfestigkeit (MCF) lag nach Kontakt- (Intem-S) und tissue factor-aktivierter Gerinnung (Extem-S) bei der ITP-Patientin deutlich niedriger als bei Normalschwangeren. Demgegenüber war die Fibrinogen- (Fibtem-S) abhängige Gerinnselbildungszeit (CFT) deutlich kürzer und die MCF deutlich höher unter Immuntherapie. Die Thrombozytenzahl korrelierte stat. signifikant mit den MCFs nach sowohl Intem-S- als auch Extem-S-Aktivierung, nicht aber im Fibtem-S-Test. Die Fibrinogenkonzentration korrelierte stat. signifikant invers mit der CFT und stat. signifikant positiv mit der MCF im Fibtem-S-Test. Es traten weder Blutungen auf, noch ergaben sich Hinweise auf eine Thrombose unter IVIG-Therapie.

Schlussfolgerung:

Die Gerinnungsqualität der ITP-Patientin lag über den gesamten Verlauf der Schwangerschaft trotz IVIG-Therapie nach sowohl Kontakt- als auch tissue factor-abhängiger Gerinnungsaktivierung deutlich unter der gesunder Schwangerer. Dennoch blieben auch unter sehr niedrigen Thrombozytenzahlen relevante Blutungsereignisse aus. In der Thrombozyten-unabhängigen Fibrinogen-vermittelten Gerinnungsaktivierung fanden sich eine deutlich kürzere Gerinnselbildungszeit bei gleichzeitig höherer Gerinnselfestigkeit im Vergleich zu Normalschwangeren. Der hohe Fibrinogenumsatz kompensiert bei nur geringer Fibrinogenkonzentrationserhöhung den Mangel an thrombozytärer Gerinnung im Verlauf der Immuntherapie.