Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(S 01): E1-E113
DOI: 10.1055/s-0037-1607780
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Frühgeburt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Individuelle Kontextfaktoren in der Validierung des Berner Schmerzscores für Neugeborene: Ergebnisse der Validierungsstudie

K Schenk
1   Berner Fachhochschule Gesundheit, Disziplin Geburtshilfe, Bern, Switzerland
,
E Cignacco
1   Berner Fachhochschule Gesundheit, Disziplin Geburtshilfe, Bern, Switzerland
,
B Stevens
2   University of Toronto, Lawrence S. Bloomberg Faculty of Nursing and Faculties of Medicine and Dentistry, Toronto, Canada
,
L Stoffel
3   Inselspital/Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Neonatologie, Bern, Switzerland
,
D Bassler
4   Universitätsspital Zürich, Neonatologie, Zürich, Switzerland
,
S Schulzke
5   Universitäts-Kinderspital beider Basel, Neonatologie, Basel, Switzerland
,
M Nelle
3   Inselspital/Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Neonatologie, Bern, Switzerland
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
27 October 2017 (online)

 

Fragestellung:

Der Berner Schmerzscore für Neugeborene (BSN) ist ein multidimensionales Schmerzerfassungsinstrument das im deutschsprachigen Raum sehr häufig verwendet wird. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Rückmeldungen aus der klinischen Praxis weisen darauf hin, dass individuelle Kontextfaktoren wie z.B. das Gestationsalter (GA) oder die Anzahl schmerzhafter Interventionen, die ein Kind bereits erlebt hat, die Schmerzäusserung beeinflussen. Individuelle Kontextfaktoren werden im BSN bisher nicht berücksichtigt. Das Ziel dieser Studie ist die Validierung des BSN an einer großen Stichprobe von Neugeborenen mit unterschiedlichem GA und die Überprüfung des Einflusses individueller Kontextfaktoren auf die Schmerzäusserung.

Methodik:

Die prospektive Beobachtungsstudie mit Messwiederholungen wurde auf den Neonatologien der Universitätsspitäler Bern, Basel und Zürich durchgeführt. Frühgeborene wurden während 2 – 5 und Termingeborene während 1 – 2 routinemässigen kapillären Blutentnahmen gefilmt. Während jeder Blutentnahme wurden drei Filmsequenzen produziert: Baseline-Phase, Phase der Blutentnahme und Erholungsphase. Fünf verblindete Pflegefachpersonen beurteilten den Schmerzzustand des Kindes mit dem BSN und dem Premature Infant Pain Profile-Revised (PIPP-R). Um den Einfluss des GA auf die Schmerzäusserung zu untersuchen, wurden die Neugeborenen anhand ihres GA in sechs verschiedene Gruppen im Bereich zwischen 24 0/7 und 42 0/7 Wochen eingeteilt. Individuelle Kontextfaktoren wurden den Patientenakten der Kinder entnommen: GA zum Zeitpunkt der Geburt und der Blutentnahmen; Anzahl bisheriger schmerzhafter (z.B. Blutentnahme) und nicht-schmerzhafter (z.B. Wickeln) Interventionen; Gesundheitszustand des Kindes gemessen mit dem Clinical Risk Index for Babies (CRIB); therapeutische Interventionen (z.B. Medikation); demographische Angaben (z.B. Geschlecht); Komorbiditäten.

Die psychometrische Testung beinhaltet die Überprüfung der Übereinstimmungsvalidität zwischen dem BSN und dem PIPP-R, Konstruktvalidität, Interrater Reliabilität, Spezifität und Sensitivität.

Ergebnisse:

Insgesamt wurden 156 Neugeborene während 1 – 5 kapillären Blutentnahmen gefilmt und 1953 Videosequenzen produziert. Das jüngste Kind wies zum Zeitpunkt der Geburt ein GA von 24 2/7 Wochen auf, das ältestes Kind ein GA von 41 4/7 Wochen (M = 30 6/7; SD, 4,5).

Studienergebnisse werden ab Herbst 2017 vorliegen. Die Resultate erster Analysen deuten darauf hin, dass die Interrater Reliabilität mit zunehmendem GA steigt und dass die einzelnen Items des BSN von unterschiedlicher Relevanz für die Schmerzerfassung sind.

Schlussfolgerung:

Die Berücksichtigung individueller Kontextfaktoren in einer modifizierten Version des BSN soll in der klinischen Praxis dazu beitragen, die Schmerzen von Neugeborenen akkurater zu erfassen. Dadurch können Schmerzen reduziert und negative Langezeitfolgen vermieden werden.