Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(08): 904-916
DOI: 10.1055/s-0037-1606171
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die protektive Rolle der feto-maternalen Beziehungsbildung während der Schwangerschaft bei postpartalen Angststörungen

L Matthies
1   Universität Heidelberg, Abteilung für allgemeine Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Heidelberg
,
M Müller
2   Ludwig Maximilian University, Abteilung für Psychologie, München
,
M Wallwiener
1   Universität Heidelberg, Abteilung für allgemeine Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Heidelberg
,
C Reck
2   Ludwig Maximilian University, Abteilung für Psychologie, München
,
S Wallwiener
1   Universität Heidelberg, Abteilung für allgemeine Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Heidelberg
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Publication History

Publication Date:
24 August 2017 (online)

 

Einleitung/Falldarstellung:

Die Peripartalphase stellt eine Zeit erhöhter Vulnerabilität der (werdenden) Mutter gegenüber psychischen Störungen wie Depression und Angst dar, so werden für die Postpartalzeit für beide Entitäten Prävalenzraten bis zu 20% in der Literatur angegeben. Verantwortlich hierfür werden u.a. hormonelle Veränderungen sowie erhöhte Stresslevel gemacht. Maternale psychische Störungen haben einen großen Einfluss auf die Gesundheit von Mutter und Kind, so werden Angststörungen z.B. mit Frühgeburtlichkeit, niedrigerem Geburtsgewicht, gestörter Mutter-Kind-Interaktion, kindlichen Regulationsstörungen oder geringem maternalem Selbstbewusstsein in Verbindung gebracht. Während das Konzept des peripartalen Bondings (fetomaternales Attachment und postpartales Bonding) vielfach in Verbindung mit postpartaler Depression gebracht wird, ist über den Zusammenhang peripartalen Bondings mit maternaler Angst hingegen nur wenig bekannt.

Ziel dieser Studie ist die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen fetomaternalem Attachment im dritten Trimenon und maternaler postpartaler Angstsymptomatik sowie die vermittelnde Rolle von Partnerschaftszufriedenheit und postpartalem Bonding hierbei.

Methodik/Material:

Im Rahmen einer prospektiven Studie wurden an 130 Probandinnen zu insgesamt drei Zeitpunkten (im dritten Trimenon (TI), eine Woche (TII) und vier Monate postpartal (TIII)) validierte Fragebögen zu feto-maternalem Attachment (Maternal Fetal Attachment Scale), peripartalem Bonding (Postpartum Bonding Questionnaire), maternalen Ängsten (State-Trait-Angstinventar) sowie Partnerschaftsqualität (Partnerschaftsfragbogen) erhoben.

Resultate/Ergebnisse:

Das fetomaternale Attachment beeinflusst die Inzidenz maternaler Angstsymptome (State- und Trait- Angst) zu TII sowohl direkt als auch indirekt, vermittelt über die Qualität des postpartalen Bondings und der Partnerschaftszufriedenheit zu TII:

  1. Es zeigte sich ein signifikanter Gesamteffekt des fetomaternalen Attachments auf maternale State- Angst zu TII (B =-0,125, S.E.= 0,037, t =-3,333, p = 0,010, R2= 0,048, dferror = 222). Durch die Variablen fetomaternales Attachment (TI), Partnerschaftszufriedenheit (TII) und postpartale Bondingqualität (TII) 18,25% Varianzaufklärung (F3,222 = 16,367, p < 0,001, R2= 0,183).

  2. Es zeigte sich ein signifikanter Gesamteffekt des fetomaternalen Attachments auf maternale Trait-Angst zu TII (B =-0,086, S.E.= 0,035, t =-2,443, p = 0,015, R2= 0,026, dferror = 224). Durch die Variablen fetomaternales Attachment (TI), Partnerschaftszufriedenheit (TII) und postpartale Bondingqualität (TII) 30,35% Varianzaufklärung (F3,222 = 32,250, p < 0,001, R2= 0,304).

Schlussfolgerung/Zusammenfassung:

Wir konnten zeigen, dass ein hohes fetomaternales Attachment über Mediation durch postpartale Bondingqualität und Partnerschaftszufriedenheit einen protektiven Effekt auf die Entstehung postpartaler maternaler Angstsymptome hat. Unsere Ergebnisse sind bemerkenswert, da durch unser Modell 18,25% der Varianz der State-Angst und 30,35% der Varianz der Trait-Angst zu TII aufgeklärt werden können. Dieser Effekt sollte in größeren Studien überprüft werden. Zusammenfassend stellen Interventionen zur Förderung des fetomaternalen Attachments, z.B. Mindfulness-Based Interventions, einen vielversprechenden Ansatz zur Förderung der postpartalen Bondingqualität und Prävention von maternalen Angststörungen dar.