Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1606043
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Anwendung psychologischer Modelle auf organisationales Verhalten: Kosteneffektive Händehygiene-Förderung durch Tailoring im PSYGIENE-Projekt

T von Lengerke
1   Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Öffentliche Gesundheitspflege, Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie (OE 5430), Hannover
,
JT Stahmeyer
2   Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
,
B Lutze
1   Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Öffentliche Gesundheitspflege, Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie (OE 5430), Hannover
3   Universitätsklinikum Leipzig – AöR, Institut für Hygiene/Krankenhaushygiene, Leipzig
,
K Lange
1   Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Öffentliche Gesundheitspflege, Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie (OE 5430), Hannover
,
IF Chaberny
3   Universitätsklinikum Leipzig – AöR, Institut für Hygiene/Krankenhaushygiene, Leipzig
4   Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Hannover
,
C Krauth
2   Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Eine Voraussetzung der Wirkung von Leitlinien auf die Kosten-Effektivität von Versorgung ist ihre Implementation. Für die hygienische Händedesinfektion (HD) wird in der Aktion Saubere Hände (ASH) vom Health Action Process Approach (HAPA) ausgegangen, allerdings kaum empirisch. Bisher wurde in der clusterr. kontr. PSYGIENE-Studie gezeigt, dass Maßschneidern (Tailoring) von Interventionen gemäß HAPA zu nachhaltigen Steigerungen der HD-Compliance auf Intensivstationen führen kann (von Lengerke et al. Dtsch Arztebl Int 2017;114:29 – 36). Hier wird die Kosten-Effektivität dieses Tailorings untersucht.

Während die Stationen des ASH-Arms im Jahr 2013 Standard-ASH-Schulungen erhielten, wurden im Tailoring-Arm Schulungen und Feedbackgespräche auf Basis empirisierter Compliance-Determinanten laut HAPA maßgeschneidert. Die Interventionskosten wurden aufbauend auf dem Micro-Costing-Modell ermittelt. Die von 2013 – 2015 aufgetretenen nosokomialen Infektionen (NI) wurden gemäß Protokoll des Nationalen Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen erfasst.

Die NI-Inzidenzraten (pro 1000 Pat.-Tage) im Tailoring-Arm fielen von 0,84 (2013) auf 0,58 (2014) und 0,35 (2015; vs. 2013: p = 0,017), und veränderten sich damit invers zur Compliance (54%, 64%, 70%; 2015 vs. 2013: p < 0,001). Demgegenüber entwickelten sich die Raten im ASH-Arm wie die Compliance zunächst positiv (0,69 auf 0,58/55% auf 68%) und dann negativ (0,67 bzw. 64%). Im Vergleich 2015 zu 2013 wurden im Tailoring-Arm mind. 10 NI mehr als im ASH-Arm und damit Krankheitskosten von mind. 105.318 € vermieden (ausgehend von den von Graf et al., Eur J Cardiothorac Surg 2010;37:893 – 6 und Ott et al., J Hosp Infect 2010;76:300 – 3 berichteten Exzesskosten). Da die Mehrkosten für das Tailoring 31,591 € betrugen (35,551 €-3,960 €), lag das Tailoring über dem Break-Even.

Die Anwendung psychologischer Theorien auf Interventionen zur Förderung der HD als organisationalem Verhalten kann eine kosten-effektive Strategie der NI-Prävention sein.