Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605979
Poster
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fortschreibung von Desintegrationskarrieren statt Förderung beruflicher Wiedereingliederung

B Schwarz
1   Bundesanstalt für Arbeitsschutz u. Arbeitsmedizin, Fachgruppe 3.3, Berlin
2   Universität zu Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Lübeck
,
T Specht
3   Fachklinik Aukrug der DRV Nord, Aukrug
,
M Bethge
2   Universität zu Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Lübeck
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Einleitung:

Die Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (kurz: MBOR) ist eine effektive Strategie zur beruflichen Wiedereingliederung von Personen mit erhöhtem Frühberentungsrisiko. Optimierungspotential wird hinsichtlich der Einbindung von Arbeitgebern in den Reha-Prozess gesehen. Ziel unserer Studie war die Exploration einer solchen Arbeitgebereinbindung aus Betroffenensicht.

Methodik:

Es wurden acht Teilnehmende einer orthopädischen MBOR mit bestehendem Beschäftigungsverhältnis ca. vier Wochen nach Reha-Ende telefonisch interviewt. Die Auswertung erfolgte computergestützt mittels inhaltlich-strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse.

Ergebnisse:

Eine Arbeitgebereinbindung in den Reha-Prozess fand bei den Betroffenen kaum statt. Sie wurde weder von ihnen und ihren Arbeitgebern noch von beteiligten Akteuren des Gesundheits- und Sozialsystems gesucht. Neben der mangelnden Arbeitgebereinbindung kristallisierten sich drei weitere Themen heraus: Schnittstellenprobleme im segregierten Gesundheits- und Sozialsystem, ungenutzte Möglichkeiten zur Unterstützung beruflicher Wiedereingliederung in der Reha und eine allseitige (auf akteursspezifischen Rationalitäten fußende) Strategie des Abwartens. Die Analyse verdeutlichte, wie durch die benannten Themen Desintegrationskarrieren angestoßen bzw. fortgeschrieben werden und Teilhabe in verschiedenen Lebensbereichen gefährdet wird.

Schlussfolgerungen:

Um die berufliche Wiedereingliederung von Personen mit erhöhtem Frühberentungsrisiko zu fördern, bedarf es nicht nur einer verbesserten Einbindung von Arbeitgebern, sondern auch der Überbrückung von Schnittstellen im segregierten Gesundheits- und Sozialsystem sowie der bedarfsorientierten Ausschöpfung vorhandener Möglichkeiten und Instrumente. Zielführend könnten integrierte Versorgungsmodelle mit proaktivem Wiedereingliederungsmanagement sein. Für Arbeitgeber sollten weitere Anreize, für die Überbrückung von Schnittstellen verbindliche Regelungen geschaffen werden.