Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605919
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Inanspruchnahme gesundheitlicher Versorgung durch Menschen mit geistiger Behinderung. Eine querschnittliche Erhebung

R Leibner
1   Universität Witten/Herdecke, Institut für Gesundheitssystemforschung, Witten
,
W de Cruppé
2   Philipps Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
,
S Schwalen
3   Ärztekammer Nordrhein, Medizinische Grundsatzfragen, Düsseldorf
,
M Geraedts
2   Philipps Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
1   Universität Witten/Herdecke, Institut für Gesundheitssystemforschung, Witten
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Einleitung:

Menschen mit geistiger Behinderung weisen eine geringere Lebenserwartung auf als die Allgemeinbevölkerung (Allg.Bev.). Dies gilt als multifaktoriell bedingt. Studien zeigen in einigen Ländern einen ungedeckten Gesundheitsbedarf, dem auch Inanspruchnahmedefizite zugrunde liegen. Die vorliegende Studie erhebt die Inanspruchnahme gesundheitlicher Versorgungsangebote durch Menschen mit geistiger Behinderung.

Methodik:

Querschnittsstudie zur Inanspruchnahme gesundheitlicher Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung, die in 3 Werkstätten in NRW beschäftigt sind, mit schriftlicher Befragung der Angehörigen. Der selbst entwickelte Fragebogen bezieht Fragen der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS) und der KBV Versichertenbefragung ein und ermöglicht so einen Vergleich mit der Allg.Bev.

Ergebnisse:

Die 181 Teilnehmer (Teilnahmequote 19,3%) haben mit 97% häufiger einen festen Hausarzt als die Allg.Bev., dessen Inanspruchnahme sowie die der fachärztlichen Versorgung entspricht dem der Allg.Bev. Die Inanspruchnahme der Fachärzte, die behinderungsspezifische Gesundheitsprobleme versorgen, wie Neurologen, HNO-Ärzte, Orthopäden, Augenärzte, ist um 10 – 30% höher, ebenso der Heil- und Hilfsmittelbedarf, die Teilnahme am Check-up 35 und an der Hautkrebsvorsorge. Hingegen wird an der Krebsvorsorge für Brust, Prostata und Dickdarm seltener teilgenommen. Terminvereinbarung und Wartezeiten in der Praxis entsprechen denen der Allg.Bev. Stationäre Einrichtungen werden mit 17% binnen 12 Monaten häufiger als in der Allg.Bev. (12%) genutzt.

Schlussfolgerungen:

Die Studienergebnisse weisen auf keine gravierende Beeinträchtigung der Inanspruchnahme und damit den Zugang verhindernde Barrieren in der gesundheitlichen Versorgung hin. Punktuell gibt es jedoch Behandlungsdefizite, die möglicherweise in spezifischen Durchführungserschwernissen begründet liegen, wie Aufwand, Invasivität und Intimität von Untersuchungen bei Menschen mit geistiger Behinderung.