Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605805
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schule und die Ungleichheit der psychischen Gesundheit bei Jugendlichen in Deutschland

J Waldhauer
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
,
B Kuntz
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
,
H Hölling
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
,
T Lampert
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Fragestellung:

Wichtige Weichenstellungen für die körperliche und psychische Gesundheit erfolgen bei Kindern und Jugendlichen u.a. durch die schulische Sozialisation. Untersucht wird der Zusammenhang zwischen Schulform, Schulnoten und psychischer Gesundheit.

Methode:

Datengrundlage ist die KiGGS-Studie (Welle 1; 2009 – 2012) des RKI. Analysiert werden die Angaben zu 11- bis 17-jährigen Mädchen (n = 2.575) und Jungen (n = 2.683). Für beide Geschlechter getrennt ausgewiesene binomiale logistische Regressionsmodelle schätzen die Bedeutung der Schulform (Gymnasium vs. Haupt-, Real-, Gesamtschule) und der jeweiligen Schulnoten (der Fächer Mathematik und Deutsch 4 – 6; Ref. 1 – 3) für psychische Auffälligkeiten bzw. Risiken (Elternangabe zum Strengths and Difficulties Questionnaire; SDQ). Dabei wird schrittweise für soziodemografische Merkmale, gesundheitsrelevantes Verhalten und personale Ressourcen adjustiert.

Ergebnisse:

Während 13,1% der Jungen an Gymnasien als psychisch risikobelastet bzw. auffällig gelten, sind es an anderen weiterführenden Regelschulen 26,2%. Die Prävalenz für Mädchen liegt insgesamt auf einem geringeren Niveau, der Anteil beträgt 10,1% an Gymnasien und 20,6% an Haupt-, Real- und Gesamtschulen. Unabhängig von der Schulform und dem Geschlecht gehen schlechtere Mathe- und Deutschnoten mit einer höheren statistischen Chance einher, als psychisch risikobelastet bzw. auffällig zu gelten (Odds Ratios: 1,7 – 2,7).

Schlussfolgerung:

Für die Einordnung der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass Aussagen zur Kausalität mit Querschnittsdaten limitiert sind. Die Theorie legt nahe, den Zusammenhang wechselseitig zu betrachten: schlechtere Schulnoten können Ursache für und Folge von psychischen Problemen sein. Die unterschiedliche Verbreitung psychischer Auffälligkeiten an verschiedenen Schulformen sollte ebenso wie die Frage nach dem Erhalt und der Förderung der schulischen Leistungsfähigkeit in die Diskussion um die psychische Gesundheit von Jugendlichen einfließen.