Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605802
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frequent Attenders: Was sind die Einflussfaktoren einer überdurchschnittlich häufigen Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen in Deutschland?

A Rommel
1   Robert Koch-Institut, Abt. 2 Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
,
J Giersdorf
2   Charité Universitätsmedizin, Berlin School of Public Health (MPH-Kandidat), Berlin
,
F Prütz
1   Robert Koch-Institut, Abt. 2 Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Hintergrund:

Unnötige Arztbesuche verursachen Kosten, belasten die Versorgungsstrukturen und sind Gegenstand gesundheitspolitischer Debatten. Praxisgebühr und Zuzahlungen stellen Versuche zur Reduktion der Inanspruchnahme dar. Neben ökonomischen Argumenten (z.B. moral hazard) werden auch weitere Ursachen für eine häufige Arztinanspruchnahme diskutiert, darunter medizinische Gründe, unterversorgte psychische Leiden oder soziale Isolation im Alter.

Methoden:

Einigen Hypothesen wird auf Basis der Studie zur Gesundheit Erwachsener (DEGS 1 2008 – 2011; n = 8.151) am Beispiel der allgemeinmedizinischen Versorgung nachgegangen. Verteilungsbasiert wurden alters- und geschlechtsstratifiziert die zehn Prozent der Befragten mit den meisten Arztkontakten als Häufignutzer definiert. Mithilfe der Prozeduren zur Gewichtung komplexer Stichproben wurden deskriptiv und über logistische Regressionen mögliche Einflussfaktoren analysiert.

Ergebnisse:

Häufignutzer haben meist einen erhöhten Behandlungsbedarf. Weniger als zehn Prozent weisen keine chronische Erkrankung auf (Ø 3,0 Erkrankungen). Zudem liegen bei etwa jedem Zehnten depressive Symptome ohne Diagnose vor. Über 50% fühlen sich überdies durch Lebensereignisse wie Trennung oder Tod belastet. Darüber hinaus zeigen sich in der multivariaten Analyse auch subjektive Einschätzungen wie die gesundheitsbezogene Lebensqualität als relevante Determinanten: Diese bestimmen die Inanspruchnahme besonders im Krankheitsfall. Wenig spricht hingegen dafür, dass Faktoren wie eine geringe soziale Unterstützung häufige Arztkontakte befördern.

Schlussfolgerungen:

Für die Häufignutzung ärztlicher Leistungen gibt es vielfältige Einflussfaktoren. Diese legen nahe, dass eine bessere Steuerung der Versorgung somatischer Erkrankungen sowie in psychosozialen Krisen, aber auch eine bessere Lebensqualität im Krankheitsfall helfen könnten, unnötige Arztkontakte zu vermeiden. Ob rein ökonomische Anreize geeignet sind, scheint hingegen fraglich.