Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605754
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Nachfrageverhalten bei türkeistämmigen Migranten/innen in Deutschland im Kontext der Antibiotikanutzung

F Erdsiek
1   Technische Universität Chemnitz, Fak. f. Human- und Sozialwissenschaften, Abt. Epidemiologie, Chemnitz
,
T Aksakal
1   Technische Universität Chemnitz, Fak. f. Human- und Sozialwissenschaften, Abt. Epidemiologie, Chemnitz
,
P Brzoska
1   Technische Universität Chemnitz, Fak. f. Human- und Sozialwissenschaften, Abt. Epidemiologie, Chemnitz
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Einleitung:

Die unsachgemäße Verwendung von Antibiotika ist laut WHO eines der zentralen Probleme in der Gesundheitsversorgung von Industrienationen. Die Türkei zählt zu den Ländern mit dem höchsten Antibiotikaverbrauch. Über die Nutzung von Antibiotika bei türkeistämmigen Migranten/innen in Deutschland ist bisher wenig bekannt. Die vorliegende Studie untersucht u.a., welche Motive und Einstellungen das Nachfrageverhalten bei dieser Bevölkerungsgruppe charakterisieren.

Methoden:

Einstellungen, Motive und Wissen zur Antibiotikanutzung bei Türkeistämmigen wurden sowohl aus Perspektive der Zielgruppe als auch aus Perspektive von Ärzten/innen und Apotheker/innen erfasst. Hierzu wurden zwei Fokusgruppenbefragungen mit Türkeistämmigen sowie neun leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse:

Wesentliche Motive der Antibiotikanutzung bei Türkeistämmigen sind neben ärztlichen Empfehlungen persönliche Erfahrungen und Erfahrungen aus dem sozialen Umfeld. Teilweise haben Patienten/innen erhöhte Erwartungen an Antibiotika, u.a. zurückgehend auf fehlende Kenntnisse zur Krankheitsätiologie und den Anwendungsgebieten von Antibiotika. Während Ärzte/innen und Apotheker/innen bei Türkeistämmigen eingeschränkte Kenntnisse zur rationalen Antibiotikanutzung wahrnehmen, ist ein entsprechendes Bewusstsein bei den Fokusgruppenteilnehmern/innen vorhanden. Fragen zur Anwendung und zu Nebenwirkungen von Medikamenten sind laut der befragten Ärzte/innen bei Türkeistämmigen im Vergleich zu Patienten ohne Migrationshintergrund unüblich, finden hingegen im Kontakt zu Apothekern/innen statt.

Schlussfolgerungen:

Falsche/fehlende Informationen im Zusammenhang mit Antibiotika fördern die ungünstige Antibiotikanutzung. Einstellungen und Erwartungen leiten sich dabei oft aus anekdotischem Erfahrungswissen ab. Ansätze zur Förderung rationaler Antibiotikanutzung sollten Wissensvermittlung mittels migrationssensibel gestalteter Informationen enthalten.