Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605747
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Krankheitslast durch Feinstaub – viele Schätzer, wenig Gewissheit?

D Plaß
1   Umweltbundesamt, Berlin
,
M Tobollik
1   Umweltbundesamt, Berlin
,
D Wintermeyer
1   Umweltbundesamt, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Fragestellung:

Ergebnisse aus Untersuchungen zur umweltbedingen Krankheitslast (Environmental Burden of Disease; EBD) werden zunehmend eingesetzt, um die Politik und die Allgemeinbevölkerung über die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Feinstaub (PM2,5) zu informieren. Institutionen wie die WHO, EUA und IHME präsentieren Ergebnisse zu vorzeitigen Sterbefällen und verlorenen gesunden Lebensjahren, die nicht im Einklang sind. Das Ziel der Untersuchung war es in einer systematischen Analyse die Unterschiede in den methodischen Vorgehensweisen der unterschiedlichen Studien mit Bezug auf Deutschland zu identifizieren.

Methoden:

Die benötigen Informationen wurden systematisch aus den einschlägigen Veröffentlichungen exzerpiert und bewertet. Der Fokus der Analysen lag auf den Expositionsschätzungen, Gesundheitsdaten, Expositions-Wirkungsfunktionen, und dem sog. „theoretical minimum risk exposure level“ (TMREL).

Ergebnisse:

Der Vergleich der Ergebnisse für Deutschland zeigt deutliche Unterschiede in der Anzahl der vorzeitigen Sterbefälle, die auf die Exposition gegenüber Feinstaub zurückzuführen sind. Für 2012, schätzen die WHO und die EUA 26.106 bzw. 59.500 Todesfälle. Die Berechnungen des IHME liegen für 2010 und 2015 mit 40.993 und 43.117 Todesfällen zwischen den zuvor genannten Schätzern. Ein bedeutender Unterschied in den Modellannahmen ist die Auswahl des TMREL. Die EUA legt die untere Quantifizierungsgrenze bei 0 µg/m3 fest und erzeugt somit die höchsten Schätzer. IHME und WHO nutzen uniforme Verteilungen für den TMREL, die mit 5,9 – 8,7 µg/m3 (WHO) und 2,4 – 5,9 µg/m3 (IHME) deutlich über 0 liegen.

Schlussfolgerungen:

Politische Entscheidungsträger haben oft nicht die Zeit und Expertise, um alle Details der Berechnungen zur EBD nachzuvollziehen. Die Annahmen des IHME werden grundsätzlich transparenter dargestellt und einem externen peer-review unterzogen. Zudem befolgen sie die GATHER-Guidelines. WHO und EUA sind in ihrer Vorgehenswiese vergleichsweise intransparent.