Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605728
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stabile Inzidenz der atopischen Dermatitis über eine Dekade aber Diskrepanzen zwischen Eltern- und Arztberichten: die Ulmer Geburtskohorten

J Genuneit
1   Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm
,
S Braig
1   Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm
,
CA Logan
1   Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm
,
JM Weiss
2   Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Dermatologie und Allergologie, Ulm
,
H Brenner
3   Deutsches Krebsforschungszentrum, Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung, Heidelberg
,
D Rothenbacher
1   Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Hintergrund:

Die ISAAC Phase Three dokumentiert bei 6 – 7-Jährigen weltweit eine meist ansteigende Symptomprävalenz der atopischen Dermatitis (AD). Andere, neuere Wiederholungssurveys zeigen eine stabile Erkrankungslast bei Schulkindern. Daten zu zeitlichen Trends in der frühen Kindheit sind selten.

Methoden:

Wir werteten zwei Geburtskohortenstudien aus, die 2000/01 und 2012/13 in Süddeutschland aus der Allgemeinbevölkerung rekrutiert wurden: die Ulmer Säuglingsstudie (US, n = 1090) und die Ulmer SPATZ Gesundheitsstudie (n = 1006). AD Symptome und Diagnosen wurden mit jährlichen Fragebögen erfasst, die die Eltern und behandelnden Kinderärzte separate ausfüllten. In SPATZ wurden Kinder mit Elternberichten von Hautsymptomen jeweils nach der 0,5-, 1- und 2-Jahres-Folgeerhebung zur hautärztlichen Untersuchung in der Uniklinik Ulm eingeladen. Die statistische Auswertung beinhaltete Log-Rank Tests und Cohen“s kappa (κ).

Ergebnisse:

Es zeigte sich kein signifikanter zeitlicher Trend im Alter bei erster AD Diagnose (Arztbericht: p = 0,44; Elternbericht: p = 0,22). Die kumulative AD Inzidenz war basierend auf den Arztberichten konsistent höher als auf denen der Eltern (US: 32,8% vs. 15,8%, SPATZ: 30,9% vs. 18,8%, 4-Jahres-Folgeerhebung). Die Übereinstimmung zwischen Eltern- und Arztberichten war bestenfalls moderat (κ: 0,21 bis 0,64) und tendenziell schlechter im höheren Lebensalter. Die Expertendiagnose in der hautärztlichen Untersuchung wurde von 52%, 45%, und 43% der Mütter in der nachfolgenden Erhebung mit 1, 2, und 3 Jahren nicht berichtet.

Schlussfolgerung:

Die AD Inzidenz in der frühen Kindheit ist hoch, aber über die letzten 11 Jahre stabil in unserer Studienregion. Die Diagnose wird von Eltern schlecht erinnert, besonders bei milden Erkrankungen. Dies schränkt die Validität von Elternberichten über länger zurückliegende Erhebungszeiträume ein. Arztberichte oder Abrechnungsdaten mögen die Prävalenz besser abbilden, können aber durch Fehl- und Unterdiagnose verfälscht sein.