Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605725
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Menschen mit Lernschwierigkeiten und Partizipative Gesundheitsforschung

R Burtscher
1   Kath. Hochschule für Sozialwesen Berlin, Berlin
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Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Ausgangslage und Fragestellung:

Menschen mit Lernschwierigkeiten (kurz MmL) oder sogenannter geistiger Behinderung weisen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Krankheitsrisiko auf. Verschiedene Barrieren (u.a. kommunikativer oder sozialer Art) erschweren ihnen den Zugang zum Gesundheitswesen. Im Diskurs um Strategien der Gesundheitsförderung ist diese Personengruppe, auch aufgrund einer geringen Datenlage, unterrepräsentiert. Eine Möglichkeit, um die Bedarfe und Ressourcen von MmL sichtbarer zu machen, ist ihre aktive Teilnahme in wissenschaftlichen Studien. Im Rahmen des Projekts GESUND! wurde genau dies erprobt und der Frage nachgegangen, wie eine gemeinsame Datenerhebung mit MmL gelingen kann.

Methoden:

Der Forschungsansatz in der Studie war die Partizipative Gesundheitsforschung. In zwei Peer-Befragungen in Leichter Sprache und einer Photovoice Datenerhebung konnten verschiedene methodische Ansätze geprüft werden.

Ergebnisse:

Eine partizipative Datenerhebung mit MmL gelingt, wenn differenzierte Strategien für unterschiedliche kognitive Niveaus angeboten werden (z.B. binnendifferenzierte Schulungen oder der Einsatz von Leichter Sprache und Bild-/Videomaterial). Das Einbezogensein in einen Forschungsprozess führt zu einem neuen Rollenverständnis bei den Beteiligten. Als Expertin bzw. Experte in eigener Sache werden typische Lebenslagen aus der Perspektive von MmL sichtbar.

Schlussfolgerung:

MmL können in der partizipativen Gesundheitsforschung eine wichtige Rolle als Expert/in in eigener Sache einnehmen. Diese Rollenübernahme setzt ein unterstützendes Setting voraus. Abweichend von standardisierten Verfahren der Datenerhebung sind kreativ-explorative Methoden besonders geeignet, um die Beteiligungschancen zu erhöhen und eine Validität von Daten zu stärken.

Das Projekt GESUND! ist Teil des Forschungsverbundes für gesunde Kommunen (PartKommPlus) und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.