Z Gastroenterol 2017; 55(05): e1-e27
DOI: 10.1055/s-0037-1603078
Kategorie „Der interessante Fall“
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Seltene Form einer ulcerierenden Colitis mit ungewöhnlicher Pathogenese

K Tzavella
1   Gastroenterologische Fachpraxis, München-Bogenhausen
,
R Ott
1   Gastroenterologische Fachpraxis, München-Bogenhausen
,
W Schatke
1   Gastroenterologische Fachpraxis, München-Bogenhausen
,
D Karimi
2   Pathologisches Institut München-Nord
,
A Riester
3   Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Med Klinik IV
,
JR Bogner
3   Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Med Klinik IV
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
09 May 2017 (online)

 

Vorgeschichte:

Vier Monate vor der Erstvorstellung in der gastroenterologischen Praxis litt eine 32-jährige Patientin unter Fieber und Gelenkschmerzen. In einer universitären Ambulanz wurden die Beschwerden als parainfektiöse Arthralgien interpretiert. Die Patientin nahm seit Beginn der Symptomatik täglich Metamizol ein. Seit 3 Wochen bestand eine eitrige Tonsillitis, später traten auch Aphten im Mund auf. Sechs Tage vor der Erstvorstellung begannen unblutige, wässrige Durchfälle, die mit diffusen Bauchschmerzen einhergingen.

Diagnostik:

Klinisch fiel ein Druckschmerz besonders im Oberbauch, sowie eine große Aphte an der Backe auf. Die unverzüglich durchgeführte Koloskopie zeigte eine ulcerierende Colitis vom Coecum bis zum Sigma. Die bis ca. 15 mm großen Ulcerationen wiesen teilweise dicke, schmutz-gelbliche Beläge auf, die unmittelbare Umgebung war geschwollen und erhaben, während die benachbarten Colonabschnitte unauffällig waren. Der obere GI-Trakt war endoskopisch ohne pathologischen Befund.

Histologisch wurden in den Biopsien aus den Colonulcera reichlich Actinomyces-ähnliche Strukturen gefunden, die Untersuchung auf Fungi-DNA verlief negativ. Es erfolgte noch am gleichen Tag die Einweisung in die infektiologische Abteilung der Universitätsklinik.

Dort ergab sich ein unauffälliger Befund im Röntgen-Thorax. Im CT-Thorax ließen sich aber multiple intrapulmonale Knötchen sowie eine ausgeprägte mediastinale und bihiläre Lymphadenopathie nachweisen. Es wurde der Verdacht auf eine Sarkoidose, DD: Lymphomerkrankung geäußert. Im Abdomen-Ultraschall fiel eine vergrößerte Leber, eine akzentuierte Ileumwand und flüssigkeitsgefüllte Dünndarmschlingen mit reger Peristaltik auf. Im Mundspülwasser ließen sich hohe Mengen EBV-DNA nachweisen. Im Labor waren aber Anti-HIV und PCR gegen HSV, EBV und CMV negativ. Initial bestand eine Agranulozytose bei minimaler Leukozytenzahl von 2000/µl. Alle Untersuchungen bezüglich Erregerdiagnostik (viral, bakteriologisch, parasitär und mykotisch) waren unauffällig. Während des Aufenthaltes wurde ein axillärer Abszess chirurgisch saniert, die mikrobiologischen Untersuchungen verliefen ebenfalls ohne Keimnachweis. Im Knochenmark wurde histologisch ein toxischer Schaden diagnostiziert, am ehesten als Folge der chronischen Metamizol-Einnahme.

Therapie:

Es wurde eine Therapie mit CGSF zur Leukozytenstimulation und eine antibiotische Therapie mit Piperacillin/Tazobactam begonnen. Hierunter besserte sich das Befinden zusehends, die Leukozyten stiegen zögerlich an. Da es klinisch keinen Hinweis auf eine Sarkoidose gab, wurde eine Verlaufskontrolle des Thorax-Befundes empfohlen.

Weiterer Verlauf:

Nach diesem stationären Aufenthalt traten die Arthralgien erneut auf, es wurde die Diagnose „Sarkoidose“ (auch histologisch) gesichert und eine Therapie mit MTX und einem oralen Steroid begonnen.

Ein Kontrollkoloskopie nach 3 Monaten zeigte eine komplette Abheilung der Colitis ohne auffällige Narbenbildung.

Zusammenfassung:

Retrospektiv bestand somit initial bereits eine Sarkoidose mit dem Symptomschwerpunkten „Fieber und Gelenkschmerzen“. Letztere führten zu einer Dauermedikation mit Metamizol, was wiederum die Agranulozytose verursachte. Unter dieser Immunsuppression entwickelten sich fieberhafte Infektionen u.a. auch die oben beschriebene ulcerierende Colitis verursacht durch Actinomyces-Bakterien.

Eine Granulozyten-stimulierende Therapie und eine antibiotische Therapie führten zur raschen Heilung der infektiösen Komplikationen. Durch die Normalisierung der Leukozytenzahl ist am ehesten erklärbar, warum die sonst notwendige wochenlange Therapie mit einem Penizillin hier nicht erforderlich war. Die Sarkoidose wird zwischenzeitlich leitliniengerecht therapiert.