Gesundheitswesen 2017; 79(04): 299-374
DOI: 10.1055/s-0037-1602014
4. Mai 2017
Postersession „Infektionsschutz“
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Maßgebliche impfpräventable Infektionskrankheiten bei Flüchtlingen in Berlin Spandau

D Sissolak
1   Gesundheitsamt Bezirksamt Spandau von Berlin, Berlin
,
G Widders
1   Gesundheitsamt Bezirksamt Spandau von Berlin, Berlin
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Publication History

Publication Date:
02 May 2017 (online)

 

Zielsetzung::

Der Bezirk Spandau hat einen hohen Anteil an Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunterkünften in Berlin und beherbergt über 12% der in Berlin untergebrachten Flüchtlinge. 2016 wurde eine Zahl von über 5.600 erreicht. 2015 richtete das Gesundheitsamt Impfstätten in zwei Erstaufnahmeeinrichtungen ein sowie ein mobiles Impfteam. Ziel ist, sowohl die Neuankömmlinge als auch die Bevölkerung vor impfpräventablen Krankheiten zu schützen. Zugleich erfolgt die infektionsepidemiologische Beobachtung.

Methode::

Die Inzidenzen von Masern- und Windpockeninfektionen bei Spandauer Flüchtlingen wurden anhand der Infektionsmeldedaten und bezogen auf die jährlich durchschnittlichen Flüchtlingszahlen in Spandau errechnet.

Ergebnis::

Zwischen August 2015 und Juni 2016 wurden 3.061 Flüchtlinge, entsprechend den STIKO-Empfehlungen, nicht im Off-Label-Use und differenziert nach Altersgruppen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis, Masern, Mumps, Röteln und Varizellen geimpft. Impfungen gegen Varizellen wurden entsprechend STIKO nur bis zum 13. Geburtstag angeboten. 2014 stiegen in Spandau die Masern- und Varizelleninzidenzen deutlich über das Gesamtniveau in Berlin. 2015 und in der ersten Jahreshälfte 2016 fielen sie für beide Infektionskrankheiten wieder unter das Gesamtniveau zurück. Bei den Flüchtlingen lagen die Inzidenzen für Masern 2013 bis 2015 durchschnittlich 50-mal, für Windpocken 25-mal höher als in der Spandauer Bevölkerung. Flüchtlinge waren 2014 bei Masern mit 68% aller Spandauer Fälle überdurchschnittlich hoch vertreten, seit 2015 ist ihr Anteil fallend. Windpockenfälle traten bei Flüchtlingen bis 2016 mit einem durchschnittlichen Anteil von 19% trotz regulärer Impfungen bis zum 13. Lebensjahr und wiederholter Riegelungsimpfungen auf. Wegen Windpocken und Masern gab es zwischen Juni 2013 und August 2016 in sieben Einrichtungen 22 Belegungsstopps, acht wegen Masern, 14 wegen Windpocken. Bei Masern waren 55% der erkrankten Flüchtlinge, bei Windpocken 26% über 18 Jahre alt.

Schlussfolgerung::

Flüchtlinge wiesen für Masern und Windpocken deutlich höhere Inzidenzen als die Gesamtbevölkerung auf. Impfungen sollten Flüchtlingen schnellstmöglich angeboten werden. Auch Erwachsene in Flüchtlingseinrichtungen sollten regulär gegen Varizellen geimpft werden.