Gesundheitswesen 2017; 79(04): 299-374
DOI: 10.1055/s-0037-1602006
4. Mai 2017
Postersession „Infektionsschutz“
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Begehung von invasiven Heilpraktikerpraxen offenbart Hygienemängel

V Brocke
1   Landratsamt Reutlingen, Kreisgesundheitsamt, Reutlingen
,
J Fritz
1   Landratsamt Reutlingen, Kreisgesundheitsamt, Reutlingen
,
C Holder
1   Landratsamt Reutlingen, Kreisgesundheitsamt, Reutlingen
,
M Eichner
2   Institut für klinische Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen
,
S Brockmann
1   Landratsamt Reutlingen, Kreisgesundheitsamt, Reutlingen
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Publication Date:
02 May 2017 (online)

 

In Deutschland gibt es mehr als 40.000 Heilpraktiker. Zulassungsvoraussetzung ist die staatliche Heilpraktikerprüfung; einen festgelegten Ausbildungsgang gibt es nicht. Im Rahmen der Hygieneüberwachung wurden invasiv tätige Heilpraktiker im Landkreis Reutlingen überprüft.

Da in Baden-Württemberg kein Heilpraktikerregister existiert, wurden Heilpraktiker über Gelbe Seiten, Internet, Heilpraktikerverbandsmitgliedsverzeichnisse und interne Listen ermittelt und angeschrieben, um das invasive Tätigkeitsspektrum abzufragen. Heilpraktikerpraxen mit invasiven Tätigkeiten wurden begangen und auf strukturelle, bauliche, personelle und organisatorische Anforderungen an die Hygiene überprüft. Erfasst wurden auch das Heilpraktikerprüfungsjahr, die Anzahl Berufsjahre und Anzahl invasiver Behandlungen. Für die Einhaltung der Hygiene wurden 0 – 6 Punkte vergeben. Spearmans Rangkorrelationskoeffizient wurde berechnet, um den Zusammenhang zwischen der Dauer seit der Zulassungsprüfung bzw. den Praxisjahren oder der jährlichen Anzahl invasiver Eingriffe und der Anzahl vergebener Punkte zu ermitteln.

Von 307 angeschriebenen Heilpraktikern praktizierten 177; davon war ein Drittel (n = 59) invasiv tätig. Mangelnde Hygiene (0 – 3 Punkte) lag bei 44% vor, gute Hygiene (5 – 6 Punkte) bei 36%. Mehr als ein Drittel (37%) konnte keinen Hygieneplan vorlegen. Nur 24% der Heilpraktiker hatten einen vollständigen, einrichtungsspezifischen Hygieneplan. Mängel bei der Händehygiene fanden sich bei der Hälfte (53%), 8% hatten kein Händedesinfektionsmittel, 15% verwendeten Einmalartikel nicht sachgerecht (z.B. Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten). Medizinprodukte wurden in vier Einrichtungen aufbereitet, davon in keiner sachgerecht. Vier Einrichtungen reduzierten bzw. stellten ihr invasives Tätigkeitsspektrum aufgrund der Hygieneanforderungen ein. Die Korrelationsanalyse ergab keine deutlichen Zusammenhänge zwischen den überprüften Variablen (Dauer seit der Zulassungsprüfung: r = 0,059; Praxisjahre: r =-0,087; jährliche Anzahl invasiver Eingriffe: r = 0,031) und den erzielten Punkten.

Bei fast der Hälfte der Praxen bestehen auch 15 Jahre nach Einführung des IfSG erhebliche Hygienemängel. Staatliche Prüfung und Selbstverpflichtung im Rahmen der freiwilligen Berufsordnung der Heilpraktiker reichen möglicherweise nicht aus, um die Hygienequalität zu sichern. Die Überwachung invasiver Heilpraktikertätigkeiten ist sinnvoll und notwendig, aber aufwändig. Eine Registrierung der Tätigkeit auf Länderebene wäre für routinemäßige Begehungen hilfreich.