Gesundheitswesen 2017; 79(04): 299-374
DOI: 10.1055/s-0037-1601994
4. Mai 2017
Postersession „Kinder- und Jugendgesundheitsdienst“
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Migrationshintergrund: Widerspiegelung der sozialen/kulturellen Integration oder Abbildung eines soziodemografischen Merkmals? Welche Definition des Migrationshintergrundes hat für die Beurteilung der Ergebnisse aus der Schuleingangsuntersuchung größere Relevanz?

G Hölscher
1   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim
,
T Le Thi
1   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim
,
A Heißenhuber
1   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim
,
C Herr
2   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, München
3   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität München
,
U Nennstiel-Ratzel
1   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim
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Publication History

Publication Date:
02 May 2017 (online)

 

Hintergrund und Fragestellung::

Bei den Schuleingangsuntersuchungen (SEU) zeigen Kinder mit Migrationshintergrund oder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus schlechtere Gesundheitszustände. Die Definition des Migrationshintergrundes ist bei Untersuchungen von Vorschulkindern allerdings noch nicht einheitlich geregelt. Bei der SEU in Bayern wird der Migrationshintergrund über die Muttersprache der Eltern abgebildet. Die AOLG (Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden) empfiehlt für eine einheitliche Erfassung bei der SEU das Geburtsland von Eltern und Kind sowie die Staatsangehörigkeit der Eltern zu erheben. Diese Informationen werden wie die zu Hause gesprochene Sprache im Rahmen einer zusätzlichen Elternbefragung bei der SEU, den sog. Gesundheits-Monitoring-Einheiten (GME), erfasst. Vorliegende Arbeit untersucht, welche der folgenden Definitionen des Migrationshintergrundes einen größeren Einfluss auf die Gesundheit von Vorschulkindern erklärt: 1. die Definition der AOLG, 2. die Definition bei der SEU in Bayern, 3. die zu Hause gesprochene Sprache und 4. eine Kombination aus der AOLG-Definition und der zu Hause gesprochenen Sprache.

Material und Methoden::

Die Studienpopulation umfasst 3.747 Vorschulkinder aus der GME-Befragung und deren Daten aus der SEU (Schuljahr 2013/14). Bei der GME-Befragung werden Eltern in sechs Regionen zu verschiedenen Gesundheitsthemen sowie zur Familiensprache, zur Staatsangehörigkeit, zum Geburtsland und sozioökonomischem Status befragt. Die SEU erfasst u.a. Angaben zur Muttersprache der Eltern, zu Körpergröße und -gewicht, den Impfstatus, die Teilnahme an den U-Untersuchungen, sowie die Ergebnisse aus der Überprüfung der Laut- bzw. Wort-/Satzbildung. Der Zusammenhang zwischen Gesundheitszustand und den Migrationsdefinitionen sowie anderen soziodemographischen Einflussfaktoren wurde differenziert nach niedrigem/mittlerem/hohem Sozialstatus analysiert.

Ergebnisse und Schlussfolgerung::

Die Definition des Migrationshintergrundes basierend auf der zu Hause gesprochenen Sprache erklärt den Effekt des Migrationshintergrundes auf eine Wort-/Satzbildungsstörung am besten. Sie scheint zur Prädiktion gesundheitlicher Effekte bei Vorschulkindern am geeignetsten zu sein und sollte in Zukunft bei der SEU in Bayern erfasst werden. Um die Vergleichbarkeit mit anderen Bundesländern sicherzustellen, sollte zusätzlich der Migrationshintergrund nach den Vorgaben der AOLG erhoben werden.