Gesundheitswesen 2017; 79(04): 299-374
DOI: 10.1055/s-0037-1601920
3. Mai 2017
Freie Themen – Umwelt und Gesundheit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Co-benefits für die öffentliche Gesundheit durch Klimaschutzmaßnahmen

J Gogolewska
1   Health and Environment Alliance, Berlin
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Publication History

Publication Date:
02 May 2017 (online)

 

Zielsetzung::

In der englischsprachigen Literatur werden seit mehreren Jahren sogenannte „health co-benefits“ von Klimaschutzmaßnahmen beschrieben. Als eine der dringendsten Klimaschutzmaßnahmen wird der Ausstieg aus der Energieerzeugung mit Kohle in der klimawissenschaftlichen Literatur beschrieben. Die health co-benefits einer raschen Abkehr von der Kohleverstromung müssen von der Politik im Vergleich zu Kosten und anderen Abwägungsfaktoren sowie im Vergleich zu den co-benefits anderer Klimaschutzmaßnahmen berücksichtigt werden.

Methode::

Mithilfe atmosphärischer Modellierung von Kraftwerksemissionen aus 28 EU Mitgliedstaaten aus dem Jahr 2013 wurden die Ausbreitung und Transformation von Stickoxiden, Schwefeldioxid und Feinstaub simuliert. Entsprechende Konzentrationsänderungen für Ozon, Feinstaub und Stickstoffdioxid wurden für geografische Raster von 50 × 50 Kilometern Größe mit der Bevölkerungsdichte multipliziert. Eine umweltmedizinische Bewertung der Exposition erfolgte anhand der Konzentrations-Wirkungs-Funktionen, die im WHO HRAPIE Bericht empfohlen werden, auf Basis der bestehenden Mortalitätsraten und Inzidenzraten für relevante Erkrankungen der Atemwege sowie des Herz-Kreislauf-Systems. Abschließend wurde eine monetäre Bewertung der Auswirkungen anhand von Referenzwerten der EU-Kommission vorgenommen.

Ergebnis::

Deutschland ist das in Europa am stärksten durch Kraftwerksemissionen betroffene Mitgliedsland und trägt zugleich als zweitgrößter Verursacher zu grenzüberschreitender Luftverschmutzung mit entsprechenden Folgen bei. Die Emissionen deutscher Kohlekraftwerke werden dabei mit circa 4.350 Todesfällen assoziiert, sowie etwa 3.470 Krankenhauseinweisungen, 2.020 Fällen chronischer Bronchitis und zahlreichen weiteren gesundheitlichen Auswirkungen. Die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten wurden auf 6,2 bis 11,9 Milliarden Euro allein für das Jahr 2013 geschätzt. Diese Auswirkungen stehen im Vergleich mit Schätzungen zur Gesamtmortalität durch Feinstaub in Deutschland von ca. 40.000 bis 50.000 Todesfällen pro Jahr.

Schlussfolgerung::

Ein Ausstieg aus der Kohleverstromung wird in Deutschland einen begrenzten positiven Effekt auf die Luftqualität haben und kann dennoch zu beachtlichen Vorteilen für die öffentliche Gesundheit wie auch zu einer Senkung von Gesundheitskosten führen.