Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(04): 406-429
DOI: 10.1055/s-0037-1601530
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fallvorstellung: Fetale Anämie bei Rhesusinkompatibilität/Morbus haemolyticus fetalis

E Günther
1   Universitätsklinikum Jena, Klinik für Geburtsmedizin
,
D Nawrath
2   Universitätsklinikum Halle (Saale), Zentrum für Fetalchirurgie
,
U Schneider
1   Universitätsklinikum Jena, Klinik für Geburtsmedizin
,
M Tchirikow
2   Universitätsklinikum Halle (Saale), Zentrum für Fetalchirurgie
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Publication History

Publication Date:
06 April 2017 (online)

 

Hintergrund:

Durch den Übertritt Rh positiver fetaler Erythrozyten in den mütterlichen Kreißlauf bei Rh Negativität kann es zur Bildung maternaler Antikörper kommen. Im Falle einer erneuten Schwangerschaft mit einem Rh positivem Fetus besteht durch diesen Rhesuskonflikt die Gefahr der intrauterinen Hämolyse und fetale Anämie. Durch die Einführung der sogenannten Anti-D-Prophylaxe ist dieses Krankheitsbild innerhalb Deutschlands in den letzten Jahrzehnten jedoch sehr selten geworden.

Verlauf:

Frau D.A., eine VII.-Gravida und III.-Para, kam als Migrantin aus Syrien nach Deutschland. Im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge fiel ein positiver Antikörpersuchtest auf (Anti-D-AK 1:4096, Anti-C 1:4). Bei unauffälligem sonografischem Befund und fehlenden Zeichen einer Anämie erfolgte zunächst eine serologische und sonografische Verlaufskontrolle.

In der laufenden 26. SSW wurde bei deutlichen Anstieg der maternalen Anti-D-AK (1:32768) sowie beginnendem Polyhydramnion die Indikation zur intrauterinen Transfusion (IUT) gestellt sowie die Vorstellung im Zentrum für Fetalchirurgie des Universitätsklinikum Halle initialisiert. Dort erfolgte in der 26+5 SSW die Transfusion von 86 ml Erzthroyztenkonzentrat via Chordozentese. Komplizierend trat eine anhaltende fetale Bradykardie auf, die jedoch durch eine intrakardiale Atropininjektion therapiert werden konnte. Eine postinterventionelle sonografische Kontrolle zeigte sich unauffällig.

Bei erneuten progredienten Anämiezeichen 3 Wochen post transfusionem erfolgte schließlich die vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft in der 30+6 SSW mittels primäre Sectio caesarea. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos.

Im Rahmen der postnatalen Versorgung des Neugeborenen wurde eine Austauschtransfusion sowie die mehrfache Gabe von Erythroyztenkonzentraten notwendig. Zudem wurde bei Hyperbilirubinämie eine mehrtägige Fototherapie durchgeführt. Das Kind konnte am 36. Lebenstag in stabilem Allgemeinzustand entlassen werden.

Fazit:

Durch die Veränderung der Patientenklientel im Zuge der aktuellen Migrationssituation muss in Zukunft wieder vermehrt mit dem Auftreten fetaler hämolytischer Anämien im Rahmen feto-maternaler Rhesusinkompatibilität gerechnet werden. Die engmaschige sonografische Kontrolle des Fetus, die Verlaufskontrolle der maternalen Antikörpertiter sowie ggf. die intrauterine Transusion in einem fetalchirurgischen Zentrum stellen dabei geeignete Optionen der pränatalen Überwachung und Therapie dar. Im konkreten Fall entschieden wir uns aufgrund der beim Ersteingriff eingetretenen vital bedrohlichen fetalen Komplikation gegen eine erneute IUT und für die vorzeitige Entbindung.