Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(04): 406-429
DOI: 10.1055/s-0037-1601525
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Alveolär kapilläre Dysplasie – seltene Ursache für das postnatale Versterben von initial lebensfrischen Kindern

W Wichmann
1   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
,
G Kamin
1   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
,
C Dammann
2   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
,
P Wimberger
1   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
06 April 2017 (online)

 

Zielsetzung:

Für postnatale respiratorische Insuffizienzen gibt es verschiedene Ursachen z.B. Amnioninfektionssyndrom, Pneumothorax oder die pulmonale Hypertonie mit persistierenden fetalen Kreislauf. An Hand einer Fallvorstellung wird die alveolär kapillären Dysplasie (ACDMPV) als seltene Ursache für die postnatal respiratorische Insuffizienz erörtert.

Die ACDMPV hat eine Prävalenz von < 1 : 1 000 000 und führt – je nach Schweregrad – innerhalb der ersten Lebenstage oder -monate zum Tod. Die Neugeborenen präsentieren eine schwere respiratorische Insuffizienz mit therapierefraktärer persistierender pulmonalen Hypertonie aufgrund einer veränderten Luft-Blut-Schranke in den Alveolen. Histologisch zeigt sich eine verdickte Alveolarwand, eine Hypertropie der Muskulatur der kleinen Pulmonalarterien mit Muskulatur-Ausläufer bis in die intra-azinösen Gefäße sowie eine verminderte Anzahl an Kapillaren neben dem Alveolarepithel und eine Fehlanlage der kleinen Pulmonalgefäße. In den meisten Fällen liegt eine heterozygote Punktmutation im FOXF1 Gen oder ein Kopienzahlverlust in der Chromosomenregion 16q24.1 zu Grunde.

Material und Methode:

Es erfolgt eine Fallvorstellung zur Illustration der ACDMPV als seltene Ursache für eine postnatale respiratorische Insuffizienz von Neurgeborenen.

Ergebnisse:

Die 27-jährige 1. Gravida stellte sich in der 40+0 SSW zur Geburtseinleitung bei SGA-Feten und ambulant suspektem CTG vor. Die Patientin wurde während der Schwangerschaft in unserer Intensivschwangerenberatung mit betreut und hatte in der 12+6 SSW eine Chorionzottenbiopsie aufgrund eines erhöhten Trisomie 21 Risikos im First Trimester Screening erhalten. Das Ergebnis ergab einen unauffälligen männlichen Karyoptyp. Die Feindiagnostik in der 21+0 SSW war unauffällig.

Nach Geburtseinleitung und einem unauffälligen Geburtsverlauf wurde die Patientin von einem hypotrophen, lebensfrischen, männlichen Neugeborenen (APGAR: 8/9/10, NapH: 7, 22; BE: -6,6 mmmol/l) spontan entbunden. Aufgrund des Geburtsgewichtes von 2865 g (4. Perzentile) wurde das Neugeborenen engmaschig überwacht. 18 Stunden postnatal fiel das Neugeborene mit einem blau-grauen Hautkolorit, stöhnender Atmung und einem Abfall der Sauerstoff bis auf 50% auf. Es erfolgte die sofortige Verlegung auf die neonatologische ITS. In der weiterführenden Diagnostik zeigte sich ein Pneumothorax sowie eine therapierefraktäre persistierende pulmonale Hypertonie mit persistierendem fetalem Kreislauf. Am dritten Lebenstag verstarb das Neugeborene im kardiogenen Schock. Die Obduktion ergab eine alveoläre kapilläre Dysplasie sowie eine Malrotation des Darmes mit Lage der Appendix im rechten Oberbauch.

Schlussfolgerung:

Dieser Kasus demonstriert, dass bei postnatal verfallenden Kindern auch an seltene Erkrankungen gedacht werden sollte und aus Gründen des Erkenntnisgewinnes, um auch den Eltern für folgende Schwangerschaften beratend zur Seite zu stehen, eine Obduktion und Genetik angestrebt werden sollte.