Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(04): 406-429
DOI: 10.1055/s-0037-1601491
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Progredienter postmenopausaler Hirsutismus bei Nachweis eines kleinen Leydig-Zell-Tumors des rechten Ovars

A Gebbert
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum Chemnitz
,
U Lindner
2   Klinik für Innere Medizin 2, Klinikum Chemnitz
,
M Böhnisch
3   Institut für Pathologie, Klinikum Chemnitz
,
L Kaltofen
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum Chemnitz
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
06 April 2017 (online)

 

Im April 2016 stellte sich eine 63-jährige Frau bei progredientem Hirsutismus zur weiteren Abklärung in der endokrinologischen Abteilung der Klinik für Innere Medizin 2 unseres Klinikums vor. Seit über 1 Jahr klagte die Patientin über zunehmenden Kopfhaarausfall sowie progrediente Körperbehaarung, vor allem am Rücken und im Gesichtsbereich (Hirsutismus-Score nach Ferriman und Gallway 15 Punkte). Anamnestisch war die Menopause vor 10 Jahren eingetreten.

Paraklinisch war ein deutlich erhöhter Testosteron-Spiegel von 8,38 nmol/l nachweisbar, so dass der Verdacht auf einen Androgen-produzierenden Tumor bestand. Zur Suche nach einer möglichen Raumforderung im kleinen Becken oder an den Nebennieren erfolgte die Durchführung eines CT-Abdomen ohne Nachweis eines intraabdominellen Tumors. Jedoch zeigten sich die Ovarien für postmenopausale Verhältnisse recht prominent. Das daraufhin veranlasste gynäkologische Konsil zeigte einen unauffälligen Genitalbefund.

Bei messbarem E2-Spiegel und postmenopausal gleichzeitig physiologisch hohen LH- und FSH-Konzentrationen musste differentialdiagnostisch auch ein Gonadotropin-produzierender Hypophysentumor ausgeschlossen werden. Im daraufhin durchgeführten Sella-MRT war kein Tumor nachweisbar.

Des Weiteren ergab sich paraklinisch kein Anhalt für einen Hyperkortisolismus als Ursache für den Hirsutismus. Bei normalem DHEAS blieb eine ovarielle Genese der Hyperandrogenämie wahrscheinlich. Zur weiterführenden Lokalisationsdiagnostik wurde deshalb im Juni 2016 ein PET-CT veranlasst, erbrachte aber keine weiteren Erkenntnisse. Aus diesem Grund erfolgte schließlich die Durchführung eines selektiven Venensamplings (Stufenkatheter) auf Testosteron im Bereich von Nebennieren und Ovarien. Hier zeigte sich ein massiver Testosteronexzess im venösen Abfluss des rechten Ovars, sodass nun von einem Androgen-produzierenden Tumor des rechten Ovars auszugehen war.

Nach unmittelbarer Vorstellung in unserer Frauenklinik erfolgte komplikationslos die Adnexexstirpation beiderseits per laparoskopiam. Histologisch konnte am rechten Ovar, im rechten Fimbrientrichter bzw. im extraovariellen Fettgewbe eine Leydig-Zellhyperplasie mit Ausbildung eines Leydig-Zell-Tumors von ca. 8 mm im größten Durchmesser nachgewiesen werden. Der Tumor zeigt eine geringe Proliferationsrate von weniger als 1% und keinen Hinweis auf Malignität. Der weitere unmittelbare postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Bereits am 3. postoperativen Tag konnte ein deutlicher Abfall des Testosteronspiegels auf 0,58 nmol/l nachgewiesen werden.

Schlussfolgerung:

Androgen-produzierende Leydig-Zell-Tumore des Ovars sind eine seltene Ursache für Hirsutismus und Adrogenisierungserscheinungen bei der älteren Frau. Bei hohen Testosteronwerten sollte stets ein Tumor im Bereich des Ovars oder der Nebenniere ausgeschlossen werden. Die Lokalisationsdiagnostik kann sich als schwierig erweisen, da es sich um sehr kleine Tumore (Durchmesser < 1 cm) handeln kann. Können bildgebende nichtinvasive Verfahren den Tumor nicht nachweisen, stellt das invasive Venensampling auf Testosteron eine sinnvolle diagnostische Alternative vor ausgedehnter explorativer Laparoskopie bzw. Laparotomie dar. Nach Sicherung der ovariellen Lokalisation des Tumors mittels Stufenkatheter ist die Adnexexstirpation beiderseits per laparoskopiam als Therapie zur Beseitigung der Beschwerden angeraten.

Paraklinische Befunde in SI-Einheiten:

Testosteron 8,38; freier Androgenindex 13,8%; 17-ß-Östradiol 98,5; Androstendion 9,9; DHEAS 1,4; FSH 50,2; LH 22,8; Anti-Müller-Hormon < 0,01.