Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(02): 192-200
DOI: 10.1055/s-0036-1597738
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychosomatik für die Praxis: Neues zu Diagnose und Therapie des chronischen Unterbauchschmerzes – Aktualisierung der S2k-Leitlinie

F Siedentopf
1   Brustzentrum, Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin
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Publication Date:
06 March 2017 (online)

 

Beim chronischem Unterbauchschmerz ist eine kritische Abwägung zwischen erhobenen Befunden und ihrer Bedeutung für die tatsächliche Schmerzgenese erforderlich, dabei sind Diagnostik und Therapie in die Arzt-Patientinnen-Beziehung eingebettet. Die Einbeziehung des bio-psycho-sozialen Modells bildet hierfür die Grundlage der therapeutischen Haltung für das ärztliche Handeln. Für die operative Diagnostik und Therapie wird die Laparoskopie als Instrument der Wahl empfohlen, auch wenn die eingeschränkte Datenlage bezüglich definierter Maßnahmen z.B. der Adhäsiolyse zu berücksichtigen ist. Eine besonders kritische Abwägung ist bei wiederholten operativen Eingriffen erforderlich. Besonders sorgfältige Prüfung der Maßnahmen muss bei Adoleszenten erfolgen. In der Phase der Loslösung vom Elternhaus ist die Anamnese möglichst ohne Eltern zu erheben. Relevante Themen können sexuelle Aktivität, Substanzabusus und körperliche und/oder sexuelle Gewalt sein. Hinsichtlich der Endometriose ist zu bedenken, dass diese auch vor der Menarche auftreten kann und in etwa 5% mit Gynatresien/-anomalien vergesellschaftet sein kann. Schwere ovarielle Manifestationen sind häufig, tief infiltrierende Endometriose jedoch selten. Eine multidisziplinäre Therapie ist sinnvoll. In das Behandlungskonzept sollte die psychosomatische Grundversorgung von Beginn an und Psychotherapie frühzeitig integriert werden. Es liegen nur vereinzelte methodisch gute Studien zu medikamentösen, operativen und psychotherapeutisch-psychosomatischen Therapieansätzen vor. Eine Beckenboden-spezifische Physiotherapie ist hinsichtlich der Therapie Chronischer Unterbauchschmerzen zu empfehlen, insbesondere wenn ein veränderter Muskeltonus und/oder schmerzhafte Triggerpunkte im Bereich der Beckenmuskulatur bestehen. Der Heilungsverlauf beim chronischen Unterbauchschmerz stellt an alle Beteiligten eine hohe Herausforderung im Hinblick auf die Bewältigung von Frustrationen dar. Die dabei ausgelösten, oft unbewussten Emotionen können schwerwiegende Auswirkungen auf die Arzt-Patientinnen-Beziehung haben und im extremen Fall von vernachlässigender Diagnostik und Therapie bis zu nicht gerechtfertigten invasiven Eingriffen führen. Im Vortrag werden ausgewählte Aspekte der aktualisierten S2k-Leitlinie zum Chronischen Unterbauchschmerz der Frau berücksichtigt und exemplarische Kasuistiken dargestellt.