Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(02): 192-200
DOI: 10.1055/s-0036-1597729
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akutes Abdomen in der Schwangerschaft

W Henrich
1   Kliniken für Geburtsmedizin Campus Virchow-Klinikum und Campus Mitte, Charité, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 March 2017 (online)

 

Abdominale Schmerzen sind häufig in und außerhalb der Schwangerschaft. Der Untersucher steht vor einem diagnostischen Dilemma. Einerseits können Übelkeit, Erbrechen und abdominelle Schmerzen durch physiologische Veränderungen der Schwangerschaft bedingt sein, andererseits können ernsthafte bis lebensbedrohliche Erkrankungen dahinterstecken. Die körperliche Untersuchung ist erschwert durch den vergrößerten Uterus und die verlagerten Organe. Eine Peritonitis ist durch die überdehnte Bauchdecke schwerer zu diagnostizieren, eine leichtgradige Leukozytose in der Schwangerschaft physiologisch. Differentialdiagnostisch muss zwischen geburtshilflichen und nicht geburtshilflichen Ursachen unterschieden werden. Die Anamnese, abdominelle Voroperationen, die Symptomatik, die Schmerzqualität das Punctum maximum geben Hinweise auf die Ursache. Geburtshilflich zählen die vorz. Plazentalösung, Myomnekrosen und eine Uteruswanddehiszenz nach Sectio oder Myomenukleation dazu. Zu den nicht-geburtshilflichen Ursachen liegt dem akuten Abdomen in 50% eine Appendizitis oder Cholezystitis zugrunde. Desweiteren kommen dilatierte Darmschlingen mit auffälliger Peristaltik als Zeichen eines Ileus und eine Urolithiasis in Frage.

Nach Sonografie des Feten, des Uterus, der Plazenta und der Zervixlänge sollte zunächst freie Flüssigkeit im Abdomen ausgeschlossen werden. Kleine Mengen sind im Douglas und Morrison pouch zwischen re. Leberlappen und der re. Nierel zuerst sichtbar. Freie Flüssigkeit kann auf eine rupturierten Ovarialzyste oder freies Blut (z.B. aus einem spontan rupturierten venösen oder arteriellen Gefäß) hinweisen oder Zeichen eines perforierten Magens sein. Im rechten Oberbauch ist die Gallenblase gut sichtbar und Steine lassen sich durch Schallschatten erkennen. Befindet sich das Punctum max. des Schmerzes im Bereich der Gallenblase, so kommt differentialdiagnostisch eine Cholezystitis evtl, mit Begleitpankreatitis in Frage. Im Falle eines Briden Ileus werden auffällig weit dilatierte Darmschlingen mit irregulärer Pendelperistaltik oder fehlender Peristaltik auffallen. Vorausgegangenen sind in der Regel abdominalchirurgische Eingriffe (meist Appendektomie). Ist das Punctum max. des Schmerzes in den Flanken lokalisiert, muss ein Nierenstau bei evtl. schallschattenwerfenden Nierensteinen ausgeschlossen werden. Besonders kolikartige Schmerzen mit Mikrohämaturie sind charakteristisch. Selten ist das perforierte Magenulkus mit entsprechender Ulkusanamnese oder nach Überdosierung von nichtsterioidalen Analgetika. Bei einer Ovarialtorsion kann das Schmerzmaximum über dem zystisch veränderten Ovar festgestellt und gelegentlich das torquierte Gefäßbündel im Farbdopplermodus dargestellt werden. Die OP ist bei allen Ursachen unvermeidbar.