Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(02): 192-200
DOI: 10.1055/s-0036-1597720
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

40 Jahre Väter im Kreißsaal – hilfreich oder doch eher kontraproduktiv?

M Abou-Dakn
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, St. Joseph-Krankenhaus, Berlin-Tempelhof
,
M David
2   Klinik für Gynäkologie, Charité, Campus Virchow-Klinikum, Berlin
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Publication Date:
06 March 2017 (online)

 

Seit Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ist die Anwesenheit der Väter bei der Geburt zunehmend selbstverständlich geworden. So waren 1970 nur knapp 12% der Väter bei der Geburt ihres Kindes anwesend, 1980 ca. 60% und 1990 bereits über 90%. Dieser Wandel spiegelt sich auch in der Literatur der Zeit, sowohl in der Laienpresse (z.B. Eltern und Zeitungsartikeln), als auch in der Fachliteratur wieder. Die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt findet sich weder bei Säugetieren noch in Beobachtungen der Ethnologen bei Naturvölkern. Die Frage stellt sich daher, weshalb es zu einem solchen Wandel in der Geburtshilfe kam? Grundsätzlich muss hierbei sicherlich der gesellschaftliche Wandel in dem Rollenverständnis der Frauen, aber auch in der Geburtshilfe betrachtet werden. Nach der primären Orientierung der Geburtshilfe auf die Vermeidung von Todesfällen der Mutter und des Kindes, kam es bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zu einem Umdenken weg von der sehr technisierten und auf die Geburtsmechanik bedachte Geburtsmedizin. Protagonisten, die den psychosomatischen Einflüsse des Geburtsgeschehens stärker in das Bewusstsein rückten, veränderten die Abläufe auch der klinischen Geburtshilfe. Die Geburtsvorbereitung und die Ausstattung der Kreißsäle wurde überdacht und eine privatere Atmosphäre erzeugt und damit auch die Einbeziehung des Partners. Auch der Feminismus, mit der möglichen Zielsetzung sowohl die Stärke der Frauen zu demonstrieren, als auch die Macht, der zu dem Zeitpunkt meist männlichen Frauenärzte in Frage zu stellen, könnte ein Einflussfaktor sein. Literaturrecherchen zeigen, dass die Effekte durch die Anwesenheit des Mannes nach wie vor nicht eindeutig sind. So kann keine eindeutige Aussage zu dem Einfluss auf den Geburtsverlauf, die Medikalisierung und den Geburtsmodus gemacht werden. Jüngere Studien beschäftigen sich mit der Vorbereitung auf die Geburt und die Unterschiede in der Wahrnehmung der Geburtssituation und darauf, dass Männer nach spezifischeren Vorbereitungskursen ein positiveres Geburtserlebnis erleben, welches sich auch bei den Frauen wiederspiegelt. Studien belegen auch, dass Männer in der Phase rund um die Geburt, eine deutliche höhere Bereitschaft zur Aufnahme von Gesundheitsthemen haben. Auch hinsichtlich der Bindungsfähigkeit des Mannes gibt es keine eindeutigen Ergebnisse zur Anwesenheit bei der Geburt. Wesentlicher scheint hierbei der spätere Kontakt zum Kind zu sein. So spielen die durch den Hautkontakt bedingte Steigerung der Oxytocinaussschüttung und Reduktion des Testosteronspiegels eine wesentlichere Rolle.