Zeitschrift für Palliativmedizin 2016; 17(05): 1-59
DOI: 10.1055/s-0036-1594083
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Handlungs- und Bewältigungsstrategien Angehöriger in der häuslichen Palliativversorgung. Eine qualitative Längsschnittstudie

C Kreyer
1   UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, medizinische Informatik und Technik, Hall in Tirol, Österreich
,
S Pleschberger
2   ÖPIA – Österreichische Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen, Wien, Österreich
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. Dezember 2016 (online)

 

Hintergrund:

Die Begleitung sterbender Menschen zu Hause ist ohne die Angehörigen nicht denkbar, jedoch sind sie stark belastet und stehen vielen Problemen gegenüber. Über ihre Strategien, mit dem Alltag häuslicher Palliativversorgung umzugehen, ist noch wenig bekannt.

Ziel:

Ziel der Studie war, zu verstehen, wie Familien eine Palliativsituation zu Hause erleben und welche Handlungs- und Bewältigungsstrategien sie nutzen, um die Situation zu bewältigen.

Methoden:

In einer qualitativen Längsschnittuntersuchung wurden serielle offene Interviews mit Familienangehörigen im Verlauf einer Palliativbegleitung und nach dem Versterben der betreuten Person durchgeführt. Der Feldzugang erfolgte über zwei mobile Palliativteams in Österreich. 29 offene Interviews sowie Feldnotizen lieferten Daten für die Analyse von 11 Fallverläufen, die mit einem fallrekonstruktiven Verfahren ausgewertet wurden.

Ergebnisse:

Häusliche Palliativversorgung ist aus der Perspektive Angehöriger ein instabiler, schwer kalkulierbarer Prozess, in dem sechs zeitlich und dynamisch unterscheidbare Phasen identifiziert werden konnten: krisenhafte Zuspitzung, Restabilisierung, stabil, instabil, sterben und Übergang in die Trauerphase. Die erlebte Instabilität erzeugt Unsicherheit bei Angehörigen. Ihre Strategien zielen darauf ab, in diesem dynamischen Geschehen Kontrolle zu bewahren und handlungsfähig zu bleiben. Angehörige übernehmen viel Verantwortung, erwerben krankheits- und behandlungsbezogenes Expertenwissen, schaffen straffe Alltagsroutinen und halten das familiäre System in Balance. Interventionen mobiler Palliativteams können Angehörigen helfen, handlungsfähig zu bleiben.

Schlussfolgerung:

Angehörige sollten sowohl als KooperationspartnerInnen, als auch als KlientInnen verstanden werden. In der Praxis und Forschung muss ihnen gezielter Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dringendste Aufgabe ist die Entwicklung evidenzbasierter familienorientierter Konzepte für die Angehörigenarbeit.