Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - SEF001
DOI: 10.1055/s-0036-1593319

Wann ist eine Endometriose eine Krankheit?

UA Ulrich 1
  • 1Martin-Luther-Krankenhaus, Frauenklinik, Berlin, Deutschland

Es kann doch unmöglich ein Fünftel aller Frauen per se erkrankt sein, wenn die „Krankheit Endometriose“ bei asymptomatischen Frauen in einer Prävalenz von bis zu 20% vorliegt. Ist das Vorhandensein von endometriumartigen Zellverbänden außerhalb des Cavum uteri vielleicht eine Variante, ein ganz „normaler Zustand“, dessen physiologische Bedeutung sich uns einfach noch nicht erschlossen hat? In einigen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass Endometrioseherde spontan verschwinden können. Es sind die Schmerzen, das Ausbleiben einer gewünschten Schwangerschaft oder die Destruktion und Funktionseinbuße befallener Organe, die eine Endometriose zur Krankheit werden lassen. Daneben weiß jeder, der sich mit dem Phänomen Endometriose beschäftigt, dass ein und derselbe Befund bei einer Frauen einmal zu Schmerzen und Sterilität führen kann – und ein andermal eben nicht. Dazu kommt die Beobachtung, dass das Ausmaß der Beschwerden praktisch nicht mit dem Ausmaß der Endometriose korreliert. Warum haben so viele Frauen mit Endometriose keine Symptome? Die hierzu publizierten Arbeiten präsentieren durchaus widersprüchliche Ergebnisse – in einigen wird immerhin gezeigt, dass das sogar die Majorität der von Endometrioseherden befallenen Frauen betrifft. Zyklussynchrone Schmerzen – vor allem die Dysmenorrhoe – sind das Kardinalsymptom bei Endometriose. Bisher ist letztlich ungeklärt, auf welche Weise diese Schmerzen verursacht werden. Oft härt man die Feststellung, dass die Endometriose progressiv verläuft. Hierzu gibt es Studien, die das nicht bestätigen. Demnach sind die Befunde über Jahre konstant. Es gibt bei asymptomatischer Endometriose ohne Sterilität, ohne Beschwerden und ohne Organdestruktion sicherlich keine Indikation für eine Therapie – und keine Indikation für prophylaktische Maßnahmen (z.B. die Applikation einer geeigneten oralen Antikonzeption oder eines Gestagens), weil bisher eine solche prophylaktische Beeinflussung weder des Befundes noch der Erkrankung „Endometriose“ definiert ist.