Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - FV045
DOI: 10.1055/s-0036-1593282

Identifizierung von psychosozialen Risiken bei Familien rund um die Geburt – Projekt Babylotse der Charité, ein Beitrag zum präventiven Kinderschutz

KA Scherer 1, S Preißel 1, T Keller 2, S Fisch 3 C Klapp 1, Projekt Babylotse Plus
  • 1Klinik für Geburtsmedizin, Campus Charité Virchow, Berlin, Deutschland
  • 2Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Epidemiologie und Prävention, Charité Campus Mitte, Berlin, Deutschland
  • 3Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Charité Campus Virchow, Berlin, Deutschland

Einleitung: Das Projekt Babylotse Plus der Charité ist ein Modellprojekt des Nationalen Zentrum Frühe Hilfen. Ziel ist die früh- und damit rechtzeitige Identifizierung von Überforderung und individuellem Unterstützungsbedarf junger Familien rund um die Geburt. Dies geschieht durch einen systematischen, niederschwelligen, nicht stigmatisierenden Zugang mittels eines in die Anamnese integrierten Screeningbogens.

Hiermit werden Belastungsfaktoren erhoben, als Basis für die Vermittlung passgenauer Hilfen Unterstützung.

Die diagnostische Genauigkeit des Screeningbogens wurde untersucht.

Methoden: Das Babylotse Plus Screening auf psychosoziale Risikoindikatoren wurde als zeitlich begrenzte Vollerhebung zweier Kliniken über 8 Monate durchgeführt. Referenzstandard war die Expertenmeinung der Babylotsen (Sozialpädagogen) nach standardisiertem diagnostischem Interview. Ausschlusskriterien waren primäre Sozialdienstanbindung, unzureichende Deutschkenntnis, sowie mangelnde Erreichbarkeit der Eltern.

Ergebnisse: Von 2344 Familien mit Neugeborenen konnten 279 als Studienteilnehmer eingeschlossen und über ein Jahr begleitet werden; 215 mit einem „auffälligen“ Score (≥3 Punkte) und eine Zufallsauswahl von 64 mit „unauffälligem“ Score. Während die Spezifität des Screeninginstruments (33,0%; 95%-KI: 30,5 – 33,5) schwach war, fiel die Sensitivität (98,9%, 95%-KI: 93,4 – 99,9) sehr hoch aus.

Risikoindikatoren waren unter anderem

  • Partnerschaftsprobleme

  • Probleme bei der Alltagsbewältigung.

Schlussfolgerungen: Keiner fällt durchs Netz – Der Screeningbogen konnte alle Familien mit Unterstützungsbedarf identifizieren und, wo nötig deren Überleitung zu wohnortnahen „Frühen Hilfen“ ermöglichen. Es wurden jedoch viele risikoarme Familien durch das Screening fälschlicherweise positiv getestet, was akzeptiert werden kann, da ein falsch positives Ergebnis nur das ausführliche diagnostische Babylotsen-Gespräch zur Folge hat.