Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - P563
DOI: 10.1055/s-0036-1593223

Beratungsqualität nach Kriterien des Institute of Medicine bei normalgewichtigen und adipösen Schwangeren

J Görges 1, 2, JH Stupin 2, B Arabin 2, 3
  • 1Philipps-Universität, Marburg, Deutschland
  • 2Clara Angela Foundation, Witten, Deutschland
  • 3UKGM Marburg, Frauenklinik, Marburg, Deutschland

Zielsetzung: Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Feten adipöser Mütter Zeichen einer myokardialen Dysfunktion aufweisen (Ingul et al. 2016), was die in epidemiologischen und tierexperimentellen Studien beschriebenen frühen Sterberaten im Erwachsenenalter erklärt (Reynolds et al. 2013, Nathanielsz et al. 2013). „Obesogens“ werden gewebetoxischen Chemikalien gleichgesetzt (Janesick et al. 2016). Frühe Information, Interventionen und die Applikation der Kriterien des Institute of Medicine (IOM) zur Gewichtszunahme in der Schwangerschaft sind zwingend erforderlich.

Material und Methode: Bei Ultraschalluntersuchungen 2010 – 2012 kannte keine der 450 befragten Schwangeren die Bedeutung der Gewichtszunahme nach IOM. Daher haben wir 2014 auf die Ernsthaftigkeit des Problems und die IOM-Kriterien in zwei deutschsprachigen Publikationen hingewiesen, um einen Einfluss auf die Beratung auszuüben (Arabin und Stupin 2014). 2015 wurden erneut 153 Frauen prospektiv mit einem standardisierten Fragebogen befragt.

Ergebnisse: Nur 1/153 Frauen kannte die IOM-Kriterien -diese Schwangere war normalgewichtig und medizinisch geschult. Keine der anderen Mütter war über die von ihrem Ausgangsgewicht abhängige empfohlene Gewichtszunahme aufgeklärt. Auch Mütter mit einem BMI > 30 (n = 16) oder > 40 (n = 10) hatten weder eine Beratung im Hinblick auf Lebensstil noch auf eine spezielle Diät. Die einzige Diätinformation, die 24/153 Schwangeren im Umkreis erhalten oder verstanden hatten, war der Verzicht auf Rohmilchprodukte und rohes Fleisch.

Zusammenfassung: Unsere Ergebnisse zeigen, dass in der Routinepraxis Wissen und Zeit für eine ernsthafte Aufklärung -auch bei Adipositas- fehlen. In Anbetracht der zunehmenden Volkskrankheit und der irreversiblen Folgen für das Kind muss neu über Aufklärung und Interventionsprogramme nachgedacht werden (Apps?). Derzeit evaluieren wir die Einhaltung und Qualität der IOM-Kriterien anhand eines großen deutschen Kollektivs.